Eching:"Alle zwei Jahre ist Krieg"

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Abu Nabil versteht nicht, warum Gaza-Streifen als sicher gilt

Von Clara Lipkowski, Eching

Abu Nabil ( Name geändert) weiß nicht so recht, wo er anfangen soll. Der 30-jährige Palästinenser lebt seit Ende 2015 in Bayern. Er trägt eine schwarze Kappe mit der Aufschrift "Brooklyn", eine schwarze Weste und dunkle Jeans. Er sitzt in einem Café. Es soll um seine Flucht gehen und sein neues Leben im Landkreis Freising. Er spricht kaum Deutsch, ein Bekannter übersetzt aus dem Arabischen.

Nabil breitet die Arme aus und schaut sein Gegenüber an. "Ich verstehe nicht, warum der Gaza-Streifen in Deutschland ein sicheres Herkunftsland ist. Wir haben fast alle zwei Jahre Krieg. Die Menschen sind eingeschlossen, es gibt nichts zu tun. Wir sterben dort langsam." Weil er Ärger mit europäischen Behörden hatte, will er nicht mit echtem Namen in der Zeitung erscheinen. In Eching lebt er mit vier jungen Männern in einem Zimmer. "Ich fühle mich, als wären wir Tiere, als würde ich unter Schafen leben." Es ist die vierte Unterkunft, in die er verlegt wurde.

In Gaza hat Nabil eine Ausbildung zum Dekorationsfachmann gemacht und zehn Jahre gearbeitet. Bis er vor der Gewalt in seinem Heimatland floh. Er stieg in einen Tunnel und kam in Ägypten wieder heraus. Dann fuhr er mit Landsleuten per Auto bis zur Küste, mit dem Boot über das Mittelmeer und mit dem Zug bis Rosenheim. Dort stoppten ihn Polizisten, so schildert er es. Sie nahmen Fingerabdrücke, schickten ihn ins "Zentralcamp" nach München, die Bayernkaserne. Später kam er zur Aidenbachstraße, dann nach Hallbergmoos. Und jetzt Eching. Er fing an, Deutsch zu lernen, brach mehrfach ab, weil er umziehen musste. Als eine Amtsmitarbeiterin ihn Hallbergmoos aufforderte, sein Zimmer zu räumen, weigerte er sich. "Ich habe geschrien: Ich will hier nicht weg! Ich habe Papiere rumgeworfen, einen Tisch umgestoßen." Die Frau habe erwidert: "Dann geh' doch zurück in dein Land."

Lange tingelte er rum, fuhr nach Österreich, wurde verhaftet, kam ins Gefängnis, 46 Tage, wie er sagt, weil er nicht hätte ausreisen dürfen. Man brachte ihn zurück nach Deutschland. Er fuhr wieder über die Grenze, diesmal in die Schweiz, dort setzte man ihn ins Flugzeug zurück nach München. Die Strafe konnte er nur zahlen, weil er jemanden um Geld bat. Später erfuhr er, dass man in Frankreich Gaza-Flüchtlingen Asyl gewähre.

Heute sitze er ohne Arbeitserlaubnis die meiste Zeit rum. Tagsüber besuche er Freunde, nur zum Schlafen komme er nach Eching. Er lebe von 130 Euro monatlich. "Ich kann nicht immer nur schlafen, ich will arbeiten." Er kenne sich gut aus mit Stuck aus Gips. Aber seine zehn Jahre Berufserfahrung interessierten hier niemanden. Zurück nach Gaza könne er nicht, weil er offiziell staatenlos ist. Seine Aufenthaltsgestattung gilt noch bis 6. Mai. Wahrscheinlich, sagt er, bekomme er eine Verlängerung für ein halbes Jahr. Er habe von Leuten gehört, die seit fünf, sechs Jahren ohne Anerkennung hier sind, ohne Job. Dass es bei ihm soweit kommt, wolle er nicht. Was er dagegen tun soll? Er zieht die Schultern hoch. Das wisse er auch nicht.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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