Diskussion im Furtnerbräu :Hitzig, kontrovers und sachlich

Lesezeit: 2 min

Lebendiges Jugendpolitikforum zum Thema Klimaschutz

Von Henrike Schulze-Wietis, Freising

Mobilität und Individualverkehr, E-Autos oder ÖPNV, Konsumverzicht und Fleischalternative In-Vitro-Fleisch, Atomkraft oder Kohlekraft, Landwirtschaft als Täter oder Potenzial. Die Diskussionsthemen waren vielfältig und kontrovers. Die Debatte lebendig und hitzig, aber sachlich und faktisch. Das gemeinsame Motto des Abends: "Klimaschutz jetzt . . . oder nie?!".

Zum zweiten Jugendpolitikforum des Kreisjugendrings kamen am Donnerstagabend etwa 75 unter 27-Jährige in den Furtnerbräu, um über die Chancen und Herausforderungen des Klimaschutzes zu debattieren. Man wolle nicht nur über das "Ob" diskutieren, sondern vor allem über das "Wie", sagte Tobias Weiskopf vom Kreisjugendring. Dazu wurden die Experten, der Bundestagsabgeordnete der FDP, Lukas Köhler aus München, und die Delegierte der Freisinger Fridays-For-Future-Bewegung, Luca-Marie Beck, eingeladen. In einem jeweils 15-minütigen Vortrag stellten beide ihre Positionen zum Klimawandel dar, bevor sie in Kleingruppen mit den verschiedensten Themen und Anliegen der Jugendlichen konfrontiert wurden.

Köhler eröffnete die Runde und erklärte den Klimaschutz als das "heißeste Thema, das im politischen Berlin am meisten drängt, wo aber noch viel zu wenig passiert", so der FDP-Mann. Für ihn und seine Partei zähle das Pariser Klimaabkommen, welches es zu verschärfen gelte. Anstatt bis 2067 klimaneutral zu sein, fordert die FDP, bis 2050 keine Netto-Emissionen mehr auszustoßen. Um dies Ziel durchzusetzen, sei der Emissionshandel eine Möglichkeit: Jeder, der CO2 ausstoßen wolle, brauche dafür eine Berechtigung und könne seine Zertifikate bei Nichtnutzung verkaufen, so Köhler. Dieses System existiert bereits seit 2005 in der EU, müsse aber globalisiert und weltweit miteinander verknüpft werden. Außerdem seien technischer Fortschritt und Innovationen unabdinglich: Geo-Engineering und faire Chancen für synthetische Kraftstoffe forderte der Bundestagsabgeordnete. Außerdem müssten auch diese Ideen auf einer internationalen Ebene diskutiert werden. "Das CO2-Limit gilt weltweit, und somit müssen wir auch unser Wissen für das Klima und die Wirtschaft nach außen tragen, dürfen dabei aber keine Fehler exportieren", appellierte Köhler. Genauer bedeute das, nicht nur Geld in beispielsweise das Nachpflanzen der Bäume des Regenwaldes zu investieren, sondern den Menschen vor Ort eine alternative Lebensgrundlage zu schaffen, damit diese den Wald nicht fällen müssten. Ein anderes Beispiel sei Bangladesch, wo die Böden zu salzig für die bisherige Landwirtschaft seien. Deshalb habe man dort eine neue Reissorte entwickelt, die dort wachsen könne, erklärt der Politiker.

Die Friday-For-Future-Delegierte Beck stellte zwei grundsätzliche Forderungen: Erstens handle es sich um eine Klimakrise, keinen Klimawandel. Zweitens solle die Regierung endlich ihren Verpflichtungen nachkommen, wie dem Pariser Klimaabkommen. Dieses solle, noch früher als es die FDP fordert, bereits 2030 umgesetzt werden. Gletscherschmelzen, Hochwasser und Extremwetter seien keine Neuheiten. Bereits 1999 habe die kanadische Schülerin Severn Suzuki eine Rede vor den Vereinten Nationen gehalten, in der sie Klimagerechtigkeit gefordert und das Artensterben vorausgesagt habe. "Und dieses Bienensterben ist heute Realität! Es mangelt also nicht an Wissen, sondern an Taten!", sagte die Sustainable-Resource-Management-Studentin. Zwischen Suzuki und Thunberg lägen 27 Jahre, in denen kaum etwas passiert sei. Beck griff Thunbergs Metapher "Our House is on fire" auf: Es mache nun keinen Sinn mehr, die einzelnen Kerzen zu löschen, da bereits das ganze Haus in Flammen stehe.

Nachhaltigkeit habe nichts mit Coolness oder Lifestyle zu tun, sondern beruhe auf Vernunft und bilde unsere Lebensgrundlage. Beck verwies auf das Handeln jeder einzelnen Person: "Nicht nur die Politik ist gefordert, sondern vor allem wir selber. Vor fünf Jahren wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, anstatt Fleisch eine Zucchini zu grillen", so die Studentin. Der Klimawandel funktioniere nur im Zusammenspiel von "Ich, Politik und Gesellschaft". Mit Greta Thunbergs Worten "Think global, act local" forderte sie konkrete Lösungen für Freising. "Denn Nachhaltiges Ressourcenmanagement zu studieren, macht ehrlich gesagt keinen Spaß, wenn man nicht weiß, wie die Zukunft unserer Welt aussieht", gibt Beck zu.

Das dritte Jugendpolitikforum des Kreisjugendrings findet im Oktober zum Thema "Schluss mit Hotel Mama! Bezahlbarer Wohnraum" statt. Auch hier werden zwei kontroverse Positionen durch Experten dargestellt.

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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