Digitale Kirche im Landkreis Freising:Eine experimentelle Zeit

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Auf verschiedenen Wegen bringen die Pfarreien, wie hier am Kirchturm Sankt Georg in Freising, ihre Botschaften unter die Leute. (Foto: Marco Einfeldt)

Gerade in der Osterzeit ist der Gottesdienstbesuch vielen Christen sehr wichtig. Einige Geistliche sind derzeit per Video präsent

Von Laura Dahmer, Freising

Pfarrerin Dorothee Löser und Pater Ignatius Kullu lernen gerade viel Neues. Beide haben sich mit ihren Pfarrgemeinden dazu entschieden, trotz der Corona-Krise weiterhin Gottesdienste anzubieten - und wenn es in der Kirche nicht geht, dann eben online. Angenommen wird das sehr gut, viele wünschen sich, dass die Angebote auch nach der Krisenzeit weitergeführt werden.

"Ich habe online mehr Gottesdienstbesucher als vorher in der Kirche", sagt Pater Ignatius vom Pfarrverband Zolling lachend. 700 Menschen haben sich sein erstes Video angeschaut - damit hatte er nicht gerechnet. "Zuerst wollten wir einen Livestream einrichten, aber das hat sich als komplizierter herausgestellt, als wir dachten", erzählt er. Das Wlan in der Kirche sei nicht gut genug, und sie hätten technisches Personal benötigt. Die Kirche in Zolling ist eben nicht auf die Digitalisierung ausgelegt. Pater Ignatius und seine Kaplane lassen sich davon aber nicht aufhalten: In Eigenarbeit filmen und schneiden sie die Videos zusammen, anschließend verschicken sie diese per Whatsapp und E-Mail an die Pfarrangehörigen. "Zusätzlich laden wir die Videos auf Youtube hoch und stellen sie auf die Homepage", erklärt er. Für den Geistlichen sind das alles ungewohnte Mittel. Bei den Pfarrangehörigen kommt es gut an. "Wir bekommen sehr viel positives Feedback, viele sind froh über die geistige Verstärkung in diesen schwierigen Zeiten - und fragen auch, ob es die Videos nach Corona auch noch geben wird."

Auch Dorothee Löser, Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Freising, hat viel Spaß an der neuen Herausforderung. "Wir können uns gerade echt ausprobieren. Bisher haben wir für Youtube zwei kleinere Andachten gefilmt, an Gründonnerstag gibt es eine mit Gitarre und E-Piano von", verrät Löser. "Die Videos sind so unterschiedlich wie wir Pfarrer auch." Löser verspricht, dass es in den kommenden Wochen weitere Formate geben wird. Die Andachten finden sich auf Youtube unter "freisingevangelisch".

Pfarrerin Anne Lüters bietet ein anderes Format an: Über die Plattform "Zoom" lädt sie zur Abendandacht per Videokonferenz ein. Einschalten kann sich jeder, der mag. "Es ist eine experimentelle Zeit", resümiert Dorothee Löser. "Aber die Menschen lassen sich gerade auch auf viel Neues ein."

Langsam bekommen die Pfarrer und Pfarrerinnen Übung in der digitalen Andacht. Für Löser war anfangs vor allem das freie Sprechen vor der Kamera eine echte Herausforderung. "Aber zum Glück geht beim Filmen ja was, was sonst nicht geht: Man kann Sachen rausschneiden", bemerkt sie lachend. Auch in Freising bekommt die Kirchengemeinde für das digitale Angebot viel Lob. 400 Menschen haben sich bisher in die beiden Andachten reingeklickt. Auf der Straße, per E-Mail und Telefon sprechen die Menschen Löser und die anderen Pfarrer der Kirchengemeinde auf das Digitalangebot an und danken ihnen. "Es gibt ja viele Fernsehgottesdienste von Profis, aber viele finden es einfach netter, dem eigenen Pfarrer zuzuhören", sagt sie. Einem älteren Herren musste Löser sogar Nachhilfe geben, weil er Youtube noch nie benutzt hatte. "Der hat sich dann total gefreut, seine Kirchenglocken mal wieder hören zu können."

Gerade viele gebürtige oder ehemalige Freisinger haben die Pfarrerin gebeten, die Videoandachten doch auch in Zukunft weiterzuführen. Daran, dass das passieren wird, glaubt Löser eher nicht. Sie weiß, dass der Gottesdienst per Youtube auf Dauer kein Ersatz zum Gottesdienst in der Kirche sein kann. "Aber es ist ein Geländer, um die Zeit zu überbrücken. Das ist ein bisschen wie bei den Restaurants, die jetzt nach Hause liefern: Es ist nicht das Gleiche, wie im Lokal bedient zu werden. Aber es ist trotzdem schön, dass es Essen gibt."

Bis es aber soweit ist, dass Essen wieder im Restaurant genossen und Gottesdienste wieder in der Kirche gefeiert werden können, betonen sowohl Pater Ignatius als auch Pfarrerin Löser: Ihre Türen stehen offen, auch wenn das in diesen Zeiten metaphorisch für den Kontakt per E-Mail, Brief oder Anruf steht.

© SZ vom 09.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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