25 000 Liter Diesel verschwunden:Gerichtsverfahren der Genervten

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Dass ein Gutachter die Tücken der Technik durchschaute, kam einem angeblichen Dieseldieb zugute. Der kündigte an, das Urteil des Freisinger Amtsgerichts zu akzeptieren, um nicht noch einmal erscheinen zu müssen.

Von Peter Becker, Freising

Die Mühe hat sich gelohnt: Der Sachverständige, der am Montagmorgen vor dem Freisinger Amtsgericht sein Gutachten vortrug, hat das ganze Wochenende über gerackert und gerechnet. Er hat Angaben aus dem technischen Flottenmanagementsystems eines Lastwagenherstellers, Fahrstrecken und Tankrechnungen überprüft und berechnet. Am Ende kam er zu dem Schluss, dass das elektronische Überwachungsgerät wenig taugt.

Profitiert hat von dieser Erkenntnis ein heute 41-jähriger Lastwagenfahrer. Dem warf die Staatsanwaltschaft vor, seinem Arbeitgeber, einer Garchinger Spedition, mehr als 25 000 Liter Diesel gestohlen zu haben. Nach den Berechnungen des Sachverständigen schrumpfte diese Menge erheblich zusammen, so dass das Verfahren gegen den Beschuldigten gegen eine Geldauflage von 1000 Euro zugunsten der UNO-Flüchtlingshilfe eingestellt wird.

Polizisten entdeckten Kanister, Treibstoffpumpe und Schläuche

Den Stein ins Rollen hatten Streifenbeamte gebracht. Sie hatten den Beschuldigten im Dezember 2013 an einem Parkplatz am Echinger See angetroffen. Er hatte dort seinen Lastwagen abgestellt. Dahinter stand sein privates Fahrzeug samt Anhänger. Indem befanden sich Kanister. Als die Polizisten in einem Handschuhfach einen Beutel mit einer Treibstoffpumpe und Schläuchen entdeckten, war für sie der Fall klar: Sie hatten einen Dieseldieb auf frischer Tat ertappt. Die Beamten stellten den Mann zur Rede. Er habe behauptet, den Tank nicht geleert, sondern befüllt zu haben, sagte ein als Zeuge befragter Streifenpolizist und fügte hinzu: "Wir haben das für eine Schutzbehauptung gehalten."

Die Beamten fragten beim Arbeitgeber des Beschuldigten nach, ob dort Unregelmäßigkeiten beim Treibstoffverbrauch festgestellt worden wären. Eine Disponentin überprüfte daraufhin sämtliche Daten, welche die Blackbox aus dem Lastwagen des Verdächtigen übermittelt hatte. Und siehe: Sie entdeckte, dass der Lastwagen quasi im Stillstand zum Teil mehrere hundert Liter Diesel verbraucht haben soll. Selbst wenn bei dem Lastwagen Kühlaggregate gelaufen wären, schien dies unmöglich. Der Verdacht auf Dieseldiebstahl erhärtete sich. Der Lastwagenfahrer erhielt seine Kündigung und die entsprechende Strafanzeige.

Der Richterin unterstellten die Anwälte Befangenheit

Bis zu diesem Punkt waren die Prozessbeteiligten bereits im November des vergangenen Jahres gekommen. Richterin Karin Mey hatte damals die Verhandlung ausgesetzt, weil ihr Nils Kratzer und Artur Mohl, die Verteidiger des Beschuldigten, Befangenheit unterstellten. Sie hatten erfahren, dass die Richterin offenbar bei einem Kollegen Erkundigungen über sie eingezogen hatte. Auch in der aktuellen Verhandlung sorgten die Rechtsanwälte für eine angespannte Atmosphäre. Zunächst beantragten sie, dass die Zeugenaussagen des Polizisten, der Disponentin sowie des Sachverständigen auf Tonband mitgeschnitten werden sollten.

Dies sei für eine mögliche Berufungsverhandlung nötig, begründeten sie ihren Antrag. Die Richterin lehnte dies ebenso ab wie wörtliche Protokolle der Zeugenaussagen. Nur konkrete Fragen und Antworten würden schriftlich festgehalten, entgegneten sie. Vorsorglich beantragten die Anwälte, dass die Aussagen aus dem elektronischen Überwachungssystem nicht verwertet werden dürften. Die Überwachung eines Arbeitnehmers per GPS verstoße ihrer Auffassung gegen dessen persönliche Würde. Die Staatsanwältin wiederum war vom belehrenden Ton der Anwälte genervt.

Die Blackbox berechnete den Tankinhalt falsch

Die ganze Aufregung war im Prinzip umsonst. Denn der emsige Sachverständige hatte gerechnet, alte Verbrauchsdaten des Angeklagten mit denen seines Nachfolgers verglichen und kam zu dem Schluss, dass die Blackbox des Lastwagenherstellers erhebliche Aussetzer aufweist und beispielsweise den Tankinhalt falsch berechnet hat. Seinen Berechnungen zufolge erklärt dies zwar nicht den kompletten Dieselschwund, aber doch große Teile davon.

Am Ende einer Verhandlungspause, als alle schon ihre Kalender auf der Suche nach einem weiteren Verhandlungstermin gezückt hatten, überraschte Verteidiger Mohl mit der Mitteilung, dass sein Mandant eine Geldauflage zugunsten der Flüchtlingshilfe akzeptieren. "Das sind arme Menschen und er hat keinen Bock, ein weiteres Mal vor Gericht zu erscheinen", sagte Mohl.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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