Einsatz für die Subkultur:Eine Stadt ohne Kultur ist eine tote Stadt

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Der Abseits-Verein versucht dem Eigentümer Guy von Moy das Gebäude am Herrenweg abzukaufen. Aktionen wie das Benefitzkonzert im Lindenkeller sollen die nötigen 1,5 Millionen Euro zusammenbringen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die "AbseitsFreunde" setzen mit einem überwältigenden Benefizkonzert einen ersten Akzent im Kampf um die Kultkneipe.

Von Anne Gerstenberg, Freising

Der vergangene Samstag war ein großer Tag für den neu gegründeten Verein "AbseitsFreunde", der um den Erhalt der Freisinger Kult- und Kulturstätte kämpft. Am Morgen wurde bei einer Matinee im Furtnerbräu der Finanzierungsplan vorgestellt, mit dem man das Budget für Kauf und Sanierung des Abseits-Areals stemmen will. Am Abend stieg die Benefiz-Veranstaltung, bei der die alten Bands des Abseits ohne Gage für den Erhalt der ihnen so kostbaren Kneipe gesungen haben.

Der Verein will sich nicht nur über Spenden, sondern vor allem über Privatdarlehen, die erst bei Verwirklichung des Kaufs anfallen und nach und nach zurück gezahlt werden, finanzieren. Nur sei es eben wichtig, jetzt schon über die Höhe eventueller Darlehen Bescheid zu wissen, um den möglichen Erfolg kalkulieren zu können. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Webseite www.abseits.org.

Für die Kneipenkultur
:Feiern mit Freunden

Mit einer Matinee und einer Benefizveranstaltung nimmt der "Abseits"-Verein am Samstag Anlauf, um die Neustifter Kult- und Kultkneipe doch noch zu retten. Die Freisinger spielen mit.

Von Kerstin Vogel

Dem Vorsitzenden Norbert Bürger ist wichtig, die Ernsthaftigkeit des Vorhabens unter Beweis zu stellen. "Die Leuten sollen sehen, dass es uns nicht nur um einen Platz zum Saufen geht. Es geht uns um die Subkultur, der wir eine Bühne gegeben haben. Denn ohne Subkultur gibt es auch keine Kultur", sagt er. Und in einer Stadt ohne Kultur könne er nicht leben, das sei eine tote Stadt.

Begleitet von einer Jazz-Combo singt Julia Schröter, die ausgebildete Jazz-Sängerin ist und den Abseitschor leitet, mit Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher bei der Matinee Jazz-Klassiker. Der OB ist begeistert und verspricht Unterstützung, indem er sich mit Kulturstiftungen in Verbindung setzen will. Jedoch findet er auch realistische Worte zu der Unternehmung: Diese werde sicherlich nicht leicht.

Seinen Auftritt stimmt der Abseitschor mit seiner Hymne an: "Don't stop me now" von Queen wird gesungen: "'Cause I'm havin' a good time and I never want to stop at all." Man hört, wie sehr den Sängern der Fortbestand der Kneipe am Herzen liegt. "Wir wollen uns singend zu Wort melden und kunstvollen Widerstand leisten", erklärt Schröter.

Extra für das Abseits und den Chor hat sie mit Norbert Bürger seit Gründung des Chors Anfang 2015 vier Lieder arrangiert, die liebevoll und ein wenig selbstironisch die Liebe zum Abseits beschreiben. "Ich will nicht bleiben und dann bleib' ich doch, nicht übertreiben, übertreibe doch. Ich will nicht trinken und dann trinke ich doch und noch und noch und noch", beschreiben sie den Moment, den vermutlich jeder schon mal im Abseits erlebt hat, im Arrangement des Swing-Songs "Du passt auf mich auf" von Max Raabe.

Chor mit einem klaren Männerüberschuss

Alle zwei Wochen probt der Abseitschor, der einzige Freisinger Chor mit einem klaren Männerüberschuss, im Furtnerbräu. Bis zu ihrem Auftritt auf dem Uferlos-Festival am Christi Himmelfahrtstag um 14 Uhr wollen sie noch einen Song für eine Zugabe einproben. Den ein oder anderen schiefen Ton machen der Enthusiasmus und die Energie der Sänger wieder wett. Nach dem Auftritt bedankt sich der ehemalige Stadtrat Helmut Fischer beschwingt bei Norbert Bürger: "Mit diesem Auftritt habt ihr mir wieder Hoffnung und Kraft gegeben. Da war so eine Energie im Raum!"

Die Anspannung des Morgens löst sich spätestens abends beim Benefizkonzert im Lindenkeller völlig auf. Schröter und Bürger sind überwältigt von dem großen Ansturm. Die Schlange reicht von unten bis weit hinauf auf den Platz vor dem Eingang. Der Saal ist brechend voll. Als alle Karten ausverkauft sind, müssen sogar Wartende nach Hause geschickt werden.

Für die Bands war es selbstverständlich, an diesem Abend ohne Gage ihren Beitrag für den Erhalt des Abseits zu leisten. "70 Cent" haben innerhalb eines Nachmittags zugesagt, und Axel von "PSR" sagt lachend: "Selbst wenn wir Weltstars wären, was nicht der Fall ist, wären wir in unseren Luxusschlitten sofort her gekommen und hätten das Konzert ohne Gage gegeben." Jede der Bands ist auf ihre ganz eigene Weise mit dem Abseits verbunden.

Rapper "AMryhym" erklärt: "Das Abseits, das ist einfach alles. Das ist eine ganz eigene Geschichte, ein spezielles Lebensgefühl." Seit der Schließung des Abseits sei der Freisinger Subkultur ihre Plattform verloren gegangen, man treffe sich jetzt wenn überhaupt nur noch privat. In seiner Zugabe "Steht auf!" rappt er: "Das schlimmste, was es für uns gibt, ist vergessen zu sterben." Wenigstens dieses Schicksal droht dem Abseits nicht. Das haben die Freisinger bewiesen.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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