Selfies vor dem Kunstwerk:Wohlbeleibte Besucher

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Die Hallbergmooser freuen sich über die Kunstaktion "Alltagsmenschen", Japaner waren auch schon da

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Hallbergmoos freut sich. Freut sich über die 20 wohlbeleibten, gemütlichen Gestalten, die seit vorigen Donnerstag im Ort verstreut stehen, sitzen und schwimmen. Die "Alltagsmenschen" sind endlich da, nachdem es im Vorfeld durchaus auch kritische Stimmen zu der Kunstaktion gegeben hat, auch, weil sie die Gemeinde rund 40 000 Euro kostet. Einige Wermutstropfen allerdings trüben die Freude bereits. Schon Samstagabend war die erste Figur kaputt, "der kleine Duscher" im Sportpark ist komplett zerstört worden. Kurz über den Knien wurde er abgeschlagen, den Kopf fand der Hausmeister am nächsten Tag am nahen Weiher. Zum Ärger über den Vandalismus kommt die Sorge: Die Verwaltung nimmt den Fall zum Anlass, die Standfestigkeit der Alltagsmenschen noch einmal zu überprüfen.

Im Weiher am Sportpark schaukelt ein Mann mit Badekappe in einem rot-weißen Schwimmreifen. "Mir hat jemand erzählt, dass er im ersten Augenblick dachte, da schwimmt wirklich wer, dabei ist es doch verboten", erzählte Bürgermeister Harald Reents bei der Gemeinderatssitzung am Dienstag schmunzelnd. Von allen Seiten käme positive Resonanz, bestätigte er wie andere Gemeinderatsmitglieder auch. Vor der Bücherei sitzt eine Dame mit Terrier, allerdings vorsichtshalber noch hinter Bauzaun, schließlich ist direkt daneben die Grundschule. Auf dem Rathausplatz steht eine weitere Gruppe, drei Männer, einer davon in Bauhofkluft. Sie sind einfach da, die "Alltagsmenschen" der Wittener Künstlerin Christel Lechner, und beleben das Ortsbild. "Die Leute reden drüber, machen Selfies, sogar eine japanische Reisegruppe hat sich schon davor fotografiert", berichtete Amtsleiter Herbert Kestler.

Und dennoch hat die Zerstörung des kleinen Duschers alle aufgeschreckt. Bisher war stets von Betonfiguren die Rede, dass das Innere aus "styroporähnlicher Füllung" sei, wie es Herbert Kestler ausdrückte, hat alle überrascht. Immerhin wiegt ein Alltagsmensch zwischen 140 und 170 Kilogramm. Herbert Kestler hat bereits in Gersthofen nachgefragt, wo die Alltagsmenschen auch schon ausgestellt worden sind. Dort hat man die Figuren gekauft und keine Probleme mit der Standfestigkeit. An Standorten mit befestigtem Untergrund werden die Figuren auf Stahlplatten geschweißt, auf Gras und Erde mit 50 Zentimeter langen Nägeln verankert. Das Hallbergmooser Rathaus will jetzt an jeder Figur nachprüfen, ob diese ebenso sicher aufgestellt sind. Was den Vandalismus anbelangt, so sind in Gersthofen insgesamt schon fünf Figuren beschädigt worden. "Dort aber lässt man sich nicht entmutigen und baut sie immer wieder auf", so Kestler.

Ob diejenigen, die den kleinen Duscher im Hallbergmooser Sportpark auf dem Gewissen haben, fahrlässig oder mutwillig gehandelt haben, berichtete Bürgermeister Reents, stehe noch nicht fest, "wir gehen allen Hinweisen nach". Als Anreiz beantragte CSU-Gemeinderat Marcus Mey, eine Belohnung von 3500 Euro auf Hinweise auf die Täter auszusetzen. Sportreferent Heinrich Lemer (Parteifreie Wähler) wandte ein, er habe gehört, dass Fußball spielende Buben die Figur beschädigt hätten. "Wenn die Qualität schlecht war und sie durch einen Ballschuss kaputt gegangen ist, dann will ich nicht, dass da Leute verpfiffen werden. Aber wenn das Vandalismus war, dann soll das Idioten künftig abschrecken", sagte er. Der Gemeinderat folgte dieser Argumentation und entschied, den Verantwortlichen eine Frist von zwei Wochen zu geben, bevor die Belohnung ausgesetzt wird. Solange können sie sich freiwillig im Rathaus melden, dann handelt es sich lediglich um einen Versicherungsfall.

Die Alltagsmenschen selbst werden bis September in Hallbergmoos bleiben. Ob die Gemeinde dann fünf von ihnen kauft, das hängt auch damit ab, wie die Bevölkerung damit umgeht. Bis jetzt scheinen die meisten tatsächlich begeistert zu sein. Christine Reitmeyr, die gerade an der Figurengruppe auf dem Rathausplatz vorbeikommt, findet sie auf Nachfrage der SZ jedenfalls "lustig anzuschauen". Freunde von ihr, erzählt sie lachend, seien kürzlich abends im Goldachpark aber recht erschrocken, "das war gruselig, weil da plötzlich diese Gestalten standen".

© SZ vom 05.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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