Migration:Flüchtlingsberatung ist "drastisch unterfinanziert"

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Markus Mehner, Jan Drobniak und Elisabeth Götz (von links) schlagen Alarm. Ihr Angebot der Flüchtlingsberatung ist in Gefahr. (Foto: Marco Einfeldt)

Immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine und aus anderen Ländern suchen im Landkreis Asyl. 2023 sind die Zahlen wieder gestiegen, die Situation ist angespannt. Gleichzeitig wurde der Landkreis-Zuschuss für die Personalkosten bei der Flüchtlingsberatung drastisch gekürzt. Wie soll es jetzt weitergehen?

Von Gudrun Regelein, Freising

"Die Luft für uns wird immer dünner", sagt Jan Drobniak. Drobniak ist der Leiter der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie Freising, gemeinsam mit zwei anderen Trägern - der Caritas Freising und dem Verein InVia -, unterstützt und betreut die Diakonie geflüchtete Menschen im Landkreis Freising. Deren Zahl sei im vergangenen Jahr noch einmal gestiegen, immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aber auch aus anderen Ländern suchen im Landkreis Asyl.

Im Gegensatz dazu aber sei die finanzielle Unterstützung vom Landkreis stark gekürzt worden - mit fatalen Konsequenzen: Inzwischen sei man an einem Punkt angelangt, an dem das Angebot der Flüchtlings- und Integrationsberatung gefährdet sei, berichten Jan Drobniak, Markus Mehner von der Caritas und Elisabeth Götz von InVia im Gespräch mit der SZ Freising.

"Wir haben ein sehr anstrengendes Jahr hinter uns", sagt Drobniak. Immer mehr geflüchtete Menschen suchen sich Unterstützung, die Klienten in der Beratungsstelle und in den Unterkünften werden immer mehr. Alleine in Hallbergmoos wurde 2023 eine neue Großunterkunft mit etwa 250 Plätzen geschaffen, insgesamt gebe es mittlerweile im Landkreis knapp 100 Unterkünfte, berichtet der Flüchtlingsberater. Etwa 4000 Flüchtlinge leben derzeit im Landkreis - privat oder in einer dieser Unterkünfte. Viele von ihnen brauchen Unterstützung. Nicht allen aber kann man zeitnah helfen, mittlerweile gebe es bereits Wartezeiten. "Unsere Ressourcen sind am Ende", sagt Drobniak.

Kooperationsvereinbarung wurde bislang nicht verlängert

Bis Ende 2023 gab es mit dem Landkreis, der neben den drei Trägern auch eine professionelle Flüchtlingshilfe anbietet, eine Kooperation. Diese sei ausgelaufen, bislang aber wurde sie vom Landkreis nicht verlängert. "Außer dass vom Landkreis eine nicht verbindliche Absichtserklärung kam, ist nichts passiert", erklärt Markus Mehner. In dem Gespräch mit dem Landrat und politischen Vertretern sei zwar deutlich geworden, dass es den Wunsch nach einer weiteren Zusammenarbeit gebe, aber eine neue Vereinbarung habe man bislang nicht bekommen. "Wir hängen nach wie vor in der Luft", sagt Drobniak.

Jan Drobniak (Foto: Marco Einfeldt)

Die fehlende Vereinbarung sei aber nicht das einzige Problem: Auch die finanzielle Unterstützung vom Landkreis sei dramatisch geschrumpft. Zu Beginn der Zusammenarbeit habe es für jede Vollzeitstelle noch einen Sachleistungszuschuss in Höhe von gut 10 000 Euro gegeben, dieser wurde dann später auf 9000 Euro gekürzt. Für 2024 schließlich wurde angekündigt, dass er komplett gestrichen werden müsse. "Die Begründung für diesen Schritt war die angespannte Haushaltslage, Sparmaßnahmen seien notwendig", sagt Drobniak. Inzwischen gab es einen Kompromiss, nun will der Landkreis noch 2500 Euro pro Vollzeitstelle beisteuern. Das aber seien im Vergleich zum ursprünglichen Zuschuss 75 Prozent weniger.

"Eigentlich bräuchten wir aber eine Erhöhung", sagt Drobniak. "Denn auch unsere laufenden Kosten sind gestiegen." Wenn sich die Rahmenbedingungen noch weiter verschlechterten, müsse man sich Gedanken machen, ob man in Zukunft diese Arbeit überhaupt noch leisten könne. Die Diakonie in Rummelsberg beispielsweise biete aus den gleichen Gründen schon keine Flüchtlingsberatung mehr an, die Diakonie in Passau dagegen habe bereits Insolvenz anmelden müssen. "Auch wir - die drei Träger im Landkreis - sind drastisch unterfinanziert", sagt Drobniak.

Etwa 2500 geflüchtete Menschen werden betreut und beraten

Der größte finanzielle Anteil für die Flüchtlings- und Integrationsberatung komme vom Freistaat, dieser steige auch laufend, wenn auch minimal an, berichtet Elisabeth Götz. Das fange die allgemeine Kostensteigerung aber nicht auf. Daneben gebe es kirchliche Mittel, aber auch diese wurden zuletzt gekürzt. Insgesamt seien mindestens zehn Prozent der Kosten ungedeckt. "Eine Richtlinie sieht aber vor, dass sich auch die jeweiligen Landkreise an der Finanzierung beteiligen können", sagt Elisabeth Götz.

Elisabeth Götz (Foto: Marco Einfeldt)

Gut zehn Vollzeitstellen gibt es derzeit bei den drei Trägern Caritas, Diakonie und InVia, die Diakonie hat mit knapp fünf die meisten, die Caritas 3,8 Stellen und InVia 1,4. Insgesamt werden auf dem Papier etwa 2500 der insgesamt etwa 4000 geflüchteten Menschen im Landkreis betreut. Eigentlich seien es aber deutlich mehr, sagt Drobniak. "Oft geht es ja nicht nur um die Probleme des Klienten, sondern auch um die der Familienangehörigen."

Mehr Gelder müssten fließen

"So wie es momentan läuft, können wir es nicht mehr lange durchziehen", befürchtet Götz. Wenn sich die Finanzierung nicht verbessere, müsse der Verein InVia in Freising schließen. Das aber wäre fatal für die Klienten. "Es ist ein schleichender Prozess", sagt Drobniak. Auch er und Markus Mehner sind sich einig, dass das Beratungsangebot zukünftig entweder reduziert oder sogar eingestellt werden muss, falls nicht bald mehr Gelder fließen.

Markus Mehner. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein Wegfall aber hätte dramatische Folgen, warnt Mehner. Denn die drei Träger leisteten nicht nur eine Beratung. Es gebe andere, nicht vom Landkreis unterstützte Projekte wie die Sprachmittler. Bei diesem Projekt werden Dolmetscher organisiert, die aber auch vom Landratsamt bei Gesprächen mit Flüchtlingen eingesetzt werden, auch dieses profitiere davon. "Letztendlich vereinfachen oder ermöglichen wir Behördenabläufe, wir leisten schon davor die notwendige Hilfestellung", sagt Drobniak. So werden die Klienten beispielsweise beim Ausfüllen der vielen Anträge und Dokumente unterstützt.

"Wenn es uns nicht gäbe, würde es der Landkreis nicht stemmen können", betont Mehner. Dieser habe derzeit gerade einmal gut drei Vollzeitstellen für die Flüchtlingshilfe, neue müsste er - bis auf die Gelder vom Freistaat - dann selber finanzieren. "Es sind gerade einmal 65 000 Euro, die gestrichen wurden und uns nun fehlen", sagt Götz. Für den Landkreis sei das wahrscheinlich keine riesige Summe, sind sich die drei Flüchtlingshelfer einig. "Für uns aber ist es das Zünglein an der Waage", sagt Drobniak.

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