Integration:"Es ist an der Zeit zu handeln"

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Kinderärzte fordern mehr Unterstützung für Migranten-Familien und eine bessere Vernetzung der Helfer

"Die Augen verbrannt, die Haut verbrannt, ausgetrocknet und in Todesangst" - Kinderärztin Katharina Münch hat in ihrem Urlaub auf Kreta Flüchtlinge, die "frisch aus dem Boot stiegen", ehrenamtlich versorgt. Flüchtlinge, die sie im Landkreis behandelt, haben in der Regel eine Erstversorgung hinter sich und kommen mit relativ gängigen Beschwerden. Dennoch ist es laut Münch an der Zeit zu handeln: "In Freising haben 46 Prozent der bis zu neun Jahre alten Kinder einen Migrationshintergrund." Studien wie die zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) "haben gezeigt, dass diese Kinder nicht nur schulisch, sondern auch gesundheitlich häufiger hinten runterfallen und viele der Eltern ihre Rechte und Wege zur Versorgung der Kinder gar nicht kennen."

Auf Initiative von Münch traf sich im Sommer ein Arbeitskreis mit Vertretern verschiedener medizinischer Fachgruppen, Vertretern der Lebenshilfe, der Stadt und des Landratsamtes, um eine Bestandsaufnahme in Sachen medizinischer Versorgung von minderjährigen Asylbewerbern vorzunehmen. "Es geht darum, die Helfer zu vernetzen", sagt Münch. "Zunächst ist für die Flüchtlinge zwar das Landratsamt zuständig, doch nach der Anerkennung der Asylbewerber fallen viele Familien ins Nichts, weil die zuständige Betreuungsperson vom Landratsamt damit wegfällt."

Bei einem nächsten Treffen des Arbeitskreises im November solle nach Lösungen gesucht werden. "Wir werden dann an den Landrat und den Oberbürgermeister herantreten, sobald wir konkrete Vorschläge entwickelt haben", so Münch, die auch ein Treffen mit Eltern plant. "Man muss nicht nur über die Leute reden, sondern auch mit ihnen."

Unklarheiten speziell bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingskindern hat auch ein Qualitätszirkel der Kinderärzte aus dem Raum München Nord festgestellt. "Bei unserem Treffen im April haben wir ein paar Forderungen formuliert", berichtet Udo Rampf. Zum einen müssten Finanzierung und Umfang der Versorgung festgelegt werden. Bisher seien alle Leistungen anerkannt worden, doch habe er in jedem Fall nachfragen müssen. "Zweitens brauchen wir unbedingt einen Dolmetscherdienst. Der ist gerade bei ernsthaften Erkrankungen notwendig," sagt Rampf. "Bei der bisher überschaubaren Zahl von schwerer erkrankten Flüchtlingen in unserer Gemeinschaftspraxis hat das noch über Verwandte der Patienten funktioniert." Darauf dürfe man sich aber nicht verlassen. "Drittens muss die Art und der Umfang der bereitgestellten Daten aus den Erstversorgungsuntersuchungen geregelt werden", sagt der Kinderarzt. "Wer bekommt etwa die Daten bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die keinen Vormund haben? Und dann gibt es natürlich Diskussionen, ob bei allen ein Test auf zum Beispiel HIV, Hepatitis, TBC oder Lues gemacht werden soll und wer diese Ergebnisse einsehen darf."

© SZ vom 25.09.2015 / zim - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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