Corona-Krise im Landkreis Freising:Zwischen Stuhl und Sofa

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Kabarettist Norbert Bürger darf derzeit nicht auftreten und brütet daheim neue Ideen aus. Hebamme Annette Fußeder hat wegen der Corona-Krise mehr Arbeit, im Kreisbildungswerk läuft nur der Verwaltungsbetrieb

Von Petra Schnirch und Gudrun Regelein, Freising

Die harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie treffen auch die Menschen im Landkreis Freising auf den unterschiedlichsten Ebenen. Die Freisinger SZ gibt in einer kleinen Serie Einblicke in das Leben der Menschen im Krisenmodus.

Der Kabarettist

Einen Freiberufler wie Norbert Bürger trifft die Corona-Krise besonders hart. In den vergangenen zwei Wochen sind alle Auftritte des Freisinger Kabarettisten und Musikers weggefallen, wann er wieder auf der Bühne stehen kann, ist unklar. Er habe wie vieler seiner Kollegen bereits Unterstützung aus der Künstlersoforthilfe beantragt. "Hut ab", wenn das klappen sollte, sagt Bürger an die Adresse der Politik gerichtet. Seinen Humor hat er trotz der schwierigen Situation noch nicht verloren. Er sitze jeden Abend auf der Couch, erzählt er. Letztens habe er sich, nach reiflicher Überlegung, mal auf den Stuhl gesetzt. Und, ja: "Das war eine gute Entscheidung." Leider kann man ihn am Telefon nicht sehen, wenn er das so trocken rüberbringt.

Seine Auftritte endeten abrupt. Vor zwei Wochen fuhr Norbert Bürger zu einem Festival nach Dresden. Er war schon dort, als die Veranstaltungen abgesagt wurden. Gecancelt wurde auch eine Tournee mit dem US-Drummer Sean Noonan. Eigentlich war Bürger in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Er ist Ensemble-Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, als "Bürger from the hell" ist er regelmäßig in der BR-Sendung "Vereinsheim Schwabing" dabei, allerdings alles freiberuflich. Der Spielbetrieb der Lach- und Schieß ist natürlich ebenfalls eingestellt, ob die vier für April geplanten Aufzeichnungen der BR-Show mit Kabarettistin Constanze Lindner - vielleicht dann ohne Publikum - stattfinden werden, steht noch nicht fest.

Mit anderen Künstlern tauscht Norbert Bürger sich regelmäßig aus. Ansonsten "wurschtel ich rum", erzählt er, ist dabei, neue Ideen umzusetzen. Trotz aller Einschnitte hofft er, dass die Krise vielleicht "positive Effekte hat" und die Achtsamkeit, "die Bewusstheit für das Leben" steigen. Er meint damit einen nachhaltigeren Lebensstil, aber etwa auch die Tatsache, dass das Pflegepersonal unterbezahlt ist.

Die Hebamme

Annette Fußeder ist Hebamme. Und sie ist Leiterin der Elternschule im Zentrum der Familie in Freising. Der Betrieb dort ist lahmgelegt, Kurse finden keine mehr statt. Eine Kollegin von ihr werde nun zumindest einen Online-Vorbereitungskurs für werdende Mütter anbieten, erzählt Fußeder. Bei den schwangeren Frauen wachse die Verunsicherung, sagt sie. "Viele machen sich Sorgen, dass ihr Partner nicht mit in den Kreißsaal darf." Momentan sei das im Freisinger Klinikum aber noch nicht der Fall, Besuche im Wochenbett sind aber auch dort nicht mehr gestattet. Einige Frauen gingen deshalb schon wieder früher nach Hause und blieben nicht, wie eigentlich vorgesehen, noch drei Tage lang im Klinikum. "Dadurch haben wir Hebammen mehr Arbeit."

Die Wochenbettbetreuung finde noch statt, aber viel werde jetzt auch telefonisch abgewickelt. "Das heißt, dass wir nur noch die wirklich notwendigen Besuche machen", berichtet Fußeder. Für diese gibt es vom Hebammen-Verband empfohlene Sicherheitsvorkehrungen: Hände müssen desinfiziert werden, Handschuhe und ein Mundschutz getragen werden. Eigentlich sollte auch zu der Mutter und ihrem Baby ein Sicherheitsabstand gehalten werden. "Aber bei den Untersuchungen, wenn ich mir beispielsweise den Nabel des Kindes anschaue, ist das natürlich nicht möglich." Zumindest werde in dieser Zeit aber nicht gesprochen. Momentan sei alles anders, "es ist überall schwierig zur Zeit". Die Frauen aber seien dankbar, wenn die Hebamme kommt und Fragen beantwortet. Dass in der Corona-Krise die Geburtshilfe einbricht, ist für Annette Fußeder nicht vorstellbar. "Geburten finden einfach statt, das sind ja keine geplanten Operationen, die man verschieben kann."

Die Geschäftsführerin

"Wir alle hängen in der Luft", sagt Marina Freudenstein, Geschäftsführerin des Katholischen Kreisbildungswerks Freising. Sämtliche Kurse und Beratungen finden derzeit im Kreisbildungswerk nicht statt. "Das fällt alles aus." Nur der Verwaltungsbetrieb läuft noch weiter. Wie es weitergehen wird, kann Freudenstein nicht sagen. "Wir müssen abwarten". In der Woche vor Ostern werde sie wahrscheinlich erfahren, ob es dann von 20. April an wieder normal laufen wird. "Aber ich befürchte, dass dieser Modus noch bis mindestens Pfingsten weitergeht", sagt Freudenstein. Im schlimmsten Fall auch noch länger, dann könnte der Betrieb erst nach den Sommerferien wieder hochgefahren werden. "Momentan fahren wir auf Sicht", sagt die Geschäftsführerin.

Es sei eine für alle vollkommen neue Situation, mit der man erst umzugehen lernen müsse. Grundsätzlich aber findet Marina Freudenstein die verordneten Maßnahmen und die Ausgangsbeschränkungen für richtig, die seien sinnvoll und notwendig, um die Pandemie einzudämmen. "Da müssen wir mitmachen."

Je länger diese Situation aber andauert, umso gravierender sind die finanziellen Auswirkungen auf das Kreisbildungswerk. Für dieses Jahr zumindest sei die Finanzierung aber noch gesichert, sagt Freudenstein. "Wir können zum Glück einen längeren Zeitraum überbrücken, ein großer Teil unserer Einnahmen kommt aus öffentlichen Zuschüssen." Derzeit versuche man, alternative Angebote zu entwickeln, Gesundheitskurse oder auch der Volkstanzkurs beispielsweise sollen zukünftig online laufen. "Von heute auf morgen geht das aber leider nicht.

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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