Circus Feraro im Winterquartier:Alljährlicher Kampf ums Überleben

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Sorgt sich um das Futter für seine Tiere: Zirkusdirektor Hermann Schmidt-Feraro. Kritik von Tierschützern weist er zurück. Der Zirkus Feraro hat wieder sein Winterlager in der Hirschau bei Marzling aufgeschlagen. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Traditionsunternehmen bereitet sich in Marzling auf die neue Saison vor. Zu schaffen macht den Familien, dass das Stroh und die Energiekosten teurer werden.

Von Francesca Polistina, Marzling

Ein grauer Wintervormittag, in der Nacht hat es geregnet, der Boden ist matschig. Hermann Schmidt-Feraro, Direktor des gleichnamigen Zirkus, empfängt im Küchenwagen, der am Eingang des Geländes geparkt ist. Das Holz brennt im Ofen, der Kaffee ist gerade fertig gekocht. Seine Schwester Sissi serviert ihn im Essbereich, dann muss sie schnell in die Stadt. Schmidt-Feraro bleibt hingegen sitzen, sein Telefon klingelt immer wieder, der Ton, besonders laut gestellt, ist die typische Einmarsch-Musik des Clowns. Draußen ist es ruhig, zumindest sieht es so aus. Doch der Eindruck täuscht: Kaum ist eine Saison zu Ende, bereitet man sich schon auf die nächste vor.

"Zirkus ist harte Arbeit, heute mehr denn je", sagt Schmidt-Feraro. Urlaub habe es nie gegeben, Pausen seien auch sehr begrenzt. Ans Aufhören denkt er aber nicht. Hermann Schmidt-Feraro ist 63, sein Leben hat er immer nur im Zirkus verbracht. "Wenn man da reingeboren ist, kann man einfach nicht aufgeben. Denn was soll ich sonst machen?", fragt er. Er redet vom "Kampf", er sagt mehrmals: "Der Zirkus darf nicht aussterben."

Seit zwei Wochen ist Schmidt-Feraro mit der ganzen Truppe in Hirschau bei Marzling. Dort hat der Circus Universal Feraro sein Winterquartier aufgeschlagen, im sechsten Jahr in Folge. Bis März wird das so bleiben, dann wird die Karawane, die insgesamt aus 40 Wagen besteht, weiterziehen, alle zwei Wochen in einen neuen Ort - wohin genau, das steht noch nicht fest. Denn die Wintermonate dienen auch dazu, die nächste Saison zu planen. Konkret heißt das: Gemeinden anschreiben und sich bewerben, Kostüme vorbereiten, das Programm neu gestalten, Maschinen reparieren. Der Tag fängt früh an, überall in der alten Halle wird gezimmert, geschraubt, gepinselt. "Bis zum TÜV machen wir alles selbst", sagt Schmidt-Feraro und lacht. In die Werkstatt fährt er nur, wenn es wirklich notwendig ist, mehr kann er sich nur schwer leisten.

Schmidts Schwester Sissi und Sohn Miguelle Feraro helfen in dem Familienbetrieb mit, der mittlerweile in der sechsten Generation durch das Land zieht. (Foto: Marco Einfeldt)

Die ganze Familie macht mit

Seit 35 Jahren führt Hermann Schmidt-Feraro den Familienbetrieb, mittlerweile in der sechsten Generation. Seine Großmutter kam aus Italien und war mit der berühmten Zirkusfamilie Orfei verwandt, von dort stammen auch der Künstlername Feraro und das Zirkuszelt. Heute gehören zur Truppe vier Familien mit insgesamt 26 Personen. Alle zehn Kinder von Hermann Schmidt-Feraro und seiner Frau Leni sind Zirkusartisten, jeder widmet sich einer besonderen Disziplin.

So wurde die zwölfjährige Angelina, die kleinste in der Gruppe, die mittlerweile die Schule in Freising besucht, zur Schlangentänzerin ausgebildet, der 2o-jährige Ramon ist hingegen Bänderakrobat geworden. "Wenn er performt, ohne Sicherungsleine, gehe ich kurz raus", erzählt der Zirkusdirektor. Dann breitet er die Arme aus, sagt: "Das gehört einfach dazu." Er meint: Das Risiko gehört dazu, die Zirkuswelt ist nicht nur bunt wie auf den Flyern. Aber er meint auch: Trotzdem mache ich, machen wir weiter.

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Zirkusdirektor Hermann Schmidt-Feraro ist mit seiner Truppe wieder in der Stadt. Einfach ist das Leben der Artisten nicht. Die Kosten steigen, die Einnahmen sinken und die Kritik der Tierschützer wird immer lauter.

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"Unsere Tiere werden immer gut versorgt"

Doch obwohl alle weiterkämpfen, wird das Überleben jedes Jahr schwieriger. Aufstellungsorte zu finden sei schwieriger geworden, Stroh für die Tiere sei Gold wert, die Kosten für Strom und Gas würden immer höher, das Wetter sei unberechenbar. In Deutschland, anders als in Ost- und Südeuropa, werden Zirkusse nicht subventioniert. Und vor allem: Die Proteste der Tierschützer werden lauter. Schon mehrmals wurden die Plakate des Circus Feraro zerschnitten, die Autoreifen zerstört. Denn zum Zirkus gehören auch ungefähr 40 Tiere, unter anderem Hunde, Pferde, Ponys, Lamas, Ziegen und Schlangen - große Wildtiere gibt es hingegen nicht.

Schmidt-Feraro sagt, seine Tiere würden immer gut versorgt und behandelt, außerdem seien die Kontrollen in Deutschland sehr streng. Die Tierschützer sagen hingegen, das sei Quälerei, und fordern mehr Tierrechte - doch ein Zirkus ohne Tiere, das kann sich Schmidt-Feraro gar nicht vorstellen, "das wäre eine Varieté-Show".

Im Küchenwaggon brennt das Holz weiter, Hermann Schmidt-Feraro zieht aus der Westentasche einen ausgeschnittenen Zeitungsartikel. Es geht um Dürre, Klimawandel und deren Konsequenzen auch für die Tiere, das Bild zeigt ein sterbendes Nilpferd. "Es gibt andere, größere Themen, um die man sich kümmern sollte", ist seine Meinung. Er nennt zum Beispiel den Plastikverbrauch, die Millionen Autos, die in Deutschland produziert werden, die Konsumgesellschaft. Dann zeigt er das andere Stück Papier, das er in der Tasche aufbewahrt. Es ist der Brief eines Zuschauers, der einmal beim Circus Feraro war. "Zirkus ist toll", steht darauf, und man erkennt die große, krakelige Kinderschrift. Hermann Schmidt-Feraro wirkt kurz gerührt. Ganz zum Schluss sagt er, er freut sich auf jeden Besuch im Winterquartier, aber auch auf Stroh oder Tierfutter. Nur betteln will er nicht.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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