Cannabis:Kiffen im Club

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Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis und der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen soll für Erwachsene zukünftig straffrei bleiben. Maximal 50 Gramm im Monat können in Clubs von den Mitgliedern gekauft werden. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Die Bundesregierung plant eine Legalisierung von Cannabis. Einem Freisinger Konsumenten geht die Liberalisierung nicht weit genug. Bärbel Würdinger, die Leiterin der Suchtberatungsstelle Prop, fordert dagegen den Ausbau der Jugenddrogenberatung.

Von Gudrun Regelein, Freising

Mit 13 oder 14 Jahren rauchte er seinen ersten Joint. Als er 15 Jahre alt war, konsumierte er regelmäßig Cannabis - fast täglich. Das ist bis heute so. Auch zu dem Gespräch, das in der Freisinger Suchtberatungsstelle Prop stattfindet, kommt der Anfang Zwanzigjährige bekifft. Cannabis gehört zu seinem Leben dazu, sagt Marco Baumann, der eigentlich anders heißt, seinen wirklichen Namen aber nicht nennen will. Zu Prop kam Marco, weil er wegen eines Drogendelikts vom Gericht dazu verpflichtet wurde. Mittlerweile kommt er freiwillig. "Mit den anderen Drogen will ich Schluss machen", sagt er, "aber ich werde bis an mein Lebensende kiffen". Er sei von Cannabis nicht abhängig, sagt er. Einen Tag mal keinen Joint zu rauchen, sei auch okay für ihn.

Gras habe weniger Nebenwirkungen als andere Drogen und mache viel weniger süchtig, erklärt der schmale, hochgewachsene Mann. Dass Alkohol gesellschaftlich akzeptiert sei, Cannabis dagegen nicht, könne er nicht nachvollziehen. "Alkohol wird verherrlicht, Cannabis verteufelt - verstehe ich nicht." Weil der Erwerb und Besitz von Cannabis illegal ist, stand er auch schon vor Gericht. Die Polizei habe bei ihm Gras in geringen Mengen gefunden, sagt Marco. "Als Kiffer bewegt man sich am Rande der Gesellschaft, lebt in der Illegalität." Er habe immer Angst, erwischt zu werden.

Im Alarmzustand, wenn die Polizei auftaucht

Wenn die Übergabe bei einem Marihuana-Kauf an einem privaten Ort stattfinde, sei das für ihn kein Problem. An öffentlichen Orten aber fühle er sich nicht wohl, sagt Marco. Er sei schon häufig kontrolliert worden. "Mittlerweile bin ich sofort im Alarmzustand, wenn die Polizei auftaucht, egal ob ich was in der Tasche habe oder nicht." Durch die Illegalität gebe es auch einen Schwarzmarkt, auf dem teilweise sehr schlechtes Gras verkauft werde, das keine natürlichen Cannabis-Blüten enthalte, sondern mit einer synthetischen Substanz besprayt wurde. "Ich habe einmal die Chemiescheiße geraucht und nach ein paar Zügen eine schlimme Panikattacke gehabt." Allein das sei für ihn schon ein Grund, weshalb Cannabis legal sein sollte.

Was er überhaupt von der geplanten Legalisierung hält? Nicht viel. "Das ist eine Verarsche", sagt er, "eine halbscharige Geschichte." Es sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Doch der Plan, den Erwerb von Cannabis nur in Clubs zu erlauben, gehe ihm nicht weit genug. "Eigentlich müsste man Cannabis ab einem gewissen Alter einfach ganz legal kaufen können." Aber natürlich werde auch er, sobald es möglich sei, in Clubs einkaufen.

Hochproblematischer Konsum von Jugendlichen

Bärbel Würdinger, Leiterin der Suchtberatungsstelle Prop Freising, sieht die Liberalisierung zwiespältig. Die Entkriminalisierung, die diese für die Konsumenten bedeutet, sei natürlich positiv, sagt sie. Aber sie sorge sich um die Jugendlichen. Die Zahl der jungen Konsumenten werde sich zwar durch die Freigabe wohl nicht erhöhen. Aber diese konsumierten schon jetzt hochproblematisch. Im Hilfesystem fehle es an offenen Angeboten für die unter 21-Jährigen, sagt Würdinger: "Cannabis und Jugend ist das große Thema bei uns."

Eine Freigabe, die zugleich eine Kulturveränderung und Akzeptanz bedeute, ohne gleichzeitig jungen Menschen eine wirkliche Hilfe anzubieten, sei bedenklich, sagt Würdinger. Jugendliche müssten ein niedrigschwelliges Angebot haben, um die mit einem hoch riskanten Konsum einhergehende psychische Gefährdung abzufedern. Prop bietet seit 2014 mit der Jugendsprechstunde "Jugend ist jetzt" eine solche Anlaufstelle. Das Angebot sei sehr nachgefragt. "Angesichts der Legalisierung von Cannabis muss das Suchthilfesystem hochgefahren und eine Jugenddrogenberatung etabliert werden", sagt Würdinger.

Der Jugendschutz werde durch die Liberalisierung sicher nicht erhöht - auch wenn die Bundesregierung das propagiere. Auch dass der Schwarzmarkt dadurch zurückgedrängt werde, bezweifelt Würdinger. "Den wird es weiter geben." Alleine schon deshalb, weil dort die Preise niedriger sein werden als in den geplanten Clubs.

Die Bundesregierung plant eine Legalisierung in zwei Schritten. Ein erstes Gesetz ermöglicht zunächst den straffreien Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis und den Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen für Erwachsene. Zudem sollen sogenannte Cannabis-Clubs ermöglicht werden. Das sind nicht-kommerzielle Vereine, die gemeinschaftlich Cannabis anbauen und an ihre maximal 500 Mitglieder für deren Eigenkonsum abgeben. Die Abgabe soll auf 25 Gramm am Tag und maximal 50 Gramm im Monat beschränkt sein. Wer älter als 18, aber noch nicht 21 Jahre alt ist, soll maximal 30 Gramm im Monat über einen Cannabis-Club erhalten können. Zudem ist eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt angedacht. Bezahlt werden soll über einen Mitgliedsbeitrag. Für Kinder und Jugendliche bleiben Besitz und Gebrauch von Cannabis ohne Ausnahme verboten. Wer erwischt wird, soll aber keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten müssen, sondern wird zur Teilnahme an Aufklärungs- und Präventionsprogrammen verpflichtet.

Der zweite Legalisierungsschritt sieht vor, dass in Kreisen oder Städten mehrerer Bundesländer Modellprojekte gestartet werden, um "kommerzielle Lieferketten" und ihre Folgen zu testen. Konkret heißt das, dass Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften verkauft werden soll - so wie es ursprünglich in ganz Deutschland geplant war. Diese Modellprojekte sollen fünf Jahre laufen und wissenschaftlich begleitet werden.

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