Bürgerinitiative wettert dagegen:Fliegende Eisklumpen

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Seit November ist das 207 Meter hohe Windrad der Bürgerenergiegenossenschaft Freising in Kammerberg in Betrieb. Eine Klage der erbitterten Gegner des Projekts wurde bereits abgewiesen, doch ihr Protest lässt nicht nach

Von Alexandra Vettori, Fahrenzhausen

Die Petershausener "Bürgerinitiative Gegenwind" sieht beim Windrad in Kammerberg den Umwelt- und Bürgerschutz mit Füßen getreten. Als Beispiel nennt sie in einer Presseerklärung eine Beinahe-Kollision von Spaziergängern mit einem herabfallenden Eisklumpen. Außerdem bezweifelt man, dass das derzeit laufende Verfahren zum Schutz von Fledermäusen ordnungsgemäß durchgeführt wird. Das Landratsamt Freising weist die Vorwürfe zurück: "Weder missachtet die Betreiberin Vorschriften, noch ist das Landratsamt Freising nachlässig bei der Überwachung der Auflagen", so Sprecherin Eva Dörpinghaus.

Seit November vergangenen Jahres ist das 207 Meter hohe Windrad der Bürgerenergiegenossenschaft Freising in Betrieb. An der Finanzierung der 5,5 Millionen Euro Baukosten sind neben der Genossenschaft auch 250 Einzelpersonen beteiligt. Dennoch wurde seit Bekanntwerden der Pläne heftig gestritten, auch vor Gericht. Das Verwaltungsgericht wies eine Klage der Windkraftgegner ab, auch eine Berufung wurde nicht zugelassen. Dafür kam es auf der Baustelle immer wieder zu Sachbeschädigungen und bei einer Info-Veranstaltung wurden die Reifen des Autos eines der Betreiber zerstochen. Was die Anwohner so erbost, war vor allem, dass die neue 10-H-Regelung, wonach der Abstand zwischen Windrad und dem nächsten Wohnhaus das Zehnfache der Höhe betragen muss, beim Kammerberger Windrad noch nicht galt. Somit steht es nur 900 Meter vom nächsten Hof entfernt.

Ende April nun wären Spaziergänger auf einem Feldweg nahe des Windrades beinahe von einem 20 mal 40 Zentimeter großen Eisstück getroffen worden. Daraufhin erstatteten sie Anzeige gegen die Bürgerenergiegenossenschaft (BEG). Im Januar davor hatte die BEG zwar Warnschilder mit dem Hinweis "Achtung Eisabwurf" aufgestellt, doch die seien äußerst provisorisch, mit Zetteln an Holzpfählen, wie die Bürgerinitiative (BI) Gegenwind moniert. "Die Inkaufnahme von Personenschäden war für uns eine neue Qualität", schreibt sie. Nach der Anzeige forderte das Landratsamt eine Stellungnahme der BEG, dort hat man ein umfangreiches Dossier mit Messprotokollen und Maßnahmen erstellt. Momentan prüfe das Landratsamt noch, sagte Sprecherin Eva Dörpinghaus. Kommt das Amt zu dem Ergebnis, es liegt ein Verstoß gegen den Auflagenkatalog des Genehmigungsbescheids vor, sieht dieser Geldbußen bis zu 1000 Euro je Maßnahme vor. Vorstellen kann sich Martin Hillebrand vom Vorstand der BEG das allerdings nicht, "wir haben hier am Bürgerwindrad mehr Techniken zur Risikominimierung eingebaut, als vorgeschrieben und dafür auch zusätzlich Geld in die Hand genommen." Ein gewisses Restrisiko bleibe aber immer. Bei den Maßnahmen gegen Eiswurf, wie eine Heizung in den Rotorblättern oder Temperatursensoren, gehe es nicht nur um die Sicherheit von Passanten auf den Feldwegen am Windrad, betont Hillebrand. Sobald Eis auf den Rotoren liegt, führt das zu einer Unwucht der Rotorblätter. Das mindert nicht nur den Energieertrag, sondern gefährdet durch die dann ungleiche Kraftverteilung auch mechanische Bauteile. Darüber hinaus schlägt das System Alarm, wenn die Energieleistung nicht der Windstärke entspricht. "Dann wird sofort abgeschaltet, schon im eigenen Interesse", betont Hillebrand.

Seit Anfang April läuft außerdem ein sogenanntes Gondelmonitoring, das Flugbewegungen von Fledermäusen aufzeichnet. Man beobachte gespannt, so die BI Gegenwind, "ob wieder vorgeschriebene Auflagen geflissentlich ignoriert werden." Beim Gondelmonitoring werden Fledermausdetektoren an der Windradnarbe angebracht, die Flugbewegungen der geschützten Tiere aufzeichnen, letztlich, um das Tötungs- und Verletzungsrisiko zu verringern. Ergeben die Messdaten erhöhte Fledermausaktivität bei bestimmten Windstärken oder -richtungen, muss die Anlage abgeschaltet werden, so die Auflage. Martin Hillebrand bestätigt das. Eine Strategie, wie von den Windradgegnern behauptet, stecke aber nicht dahinter, "logischerweise dauert es, bis man da Erfahrungen hat. Deshalb macht man ja das Monitoring." Den Vorwurf der "Vetternwirtschaft", den die BI Gegenwind in der Erklärung erneut erhebt, weist man im Landratsamt zurück. Man müsse als Genehmigungsbehörde eine Vielzahl von sich widerstreitenden Interessen bedenken und sich dabei an Recht und Gesetz halten. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei von den Gerichten bestätigt, alle Aufsichtsbeschwerden seien zurückgewiesen worden. Dass dem Umweltschutz Rechnung getragen werde, zeige schon, dass wegen eines Wespenbussard-Nestes die Zahl der Windräder im Vorfeld von drei auf eines reduziert worden sei. Hillebrand betonte, die BEG sei an größtmöglicher Transparenz interessiert. Deshalb habe man auch die Auflagen des Genehmigungsbescheids auf die Homepage gestellt.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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