Bogenschießen entspannt:Abschalten und abfeuern

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Bayerns größte Bogenschießanlage steht in Dietersheim. Der gestresste Landkreisbewohner gönnt sich hier eine Pause vom Alltag. Wettkämpfe veranstaltet der Verein "Sherwood Forest" allerdings nicht. Dafür soll geschossen werden wie im Mittelalter

Von Clara Lipkowski, Dietersheim

Der linke Arm von Hans Field ist nach vorne gestreckt, die Hand umklammert im "Revolvergriff" den Holzbogen. Der rechte Arm ist parallel zum Boden angewinkelt. So zieht er die Sehne des Bogens nach hinten, zwischen den Fingern der rechten Hand hält er den Pfeil. Spannung am Bogen baut sich auf, das Ziehen wird sichtlich schwerer. Der Körper ist angespannt und sein Blick auf das Ziel gerichtet: Der goldene Kreis auf der runden Scheibe in 13 Metern Entfernung. Dann lässt Hans Field die Sehne los - der Bogen rast durch die Halle und landet auf der Scheibe, zwar nicht in der goldenen Mitte, aber im roten Ring, der außen herum liegt.

Franz Pürner (links) und Hans Field (zweiter von rechts) sind die "alten Hasen" des Vereins. Sie erklären dem Nachwuchs die Schießtechnik. (Foto: Marco Einfeldt)

Der 62-Jährige hat ein eher ungewöhnliches Hobby. Er schießt in der Freizeit mit Pfeil und Bogen auf Scheiben oder Gummitiere. Auf die Frage, warum er das tut, antwortet Field: "Um Spaß zu haben und um runter zu kommen." Beim Schießen denke er an nichts anderes als an das Ziel, alles andere sei in diesem Moment unwichtig.

In Dietersheim ist er dafür mit seinem Verein "Sherwood Forest" in eine große, lichtdurchflutete Halle eingezogen, auf das Gelände des SV Dietersheim. "Wir haben hier die größte Bogenschießhalle in ganz Bayern", sagt Field. An sieben Schießständen steht jeweils ein grauer Köcher, aus dem die Schützen nacheinander die Pfeile ziehen. 92 Mitglieder hat der Verein mittlerweile, Field sieht das Bogenschießen als "Trendsport". Dazu beigetragen hätten auch Fernsehserien wie "Die Tribute von Panem": "Da wollten plötzlich alle möglichen Mädels das Schießen lernen." Einen Waffenschein braucht niemand zum Bogenschießen, Equipment stellt der Verein. Der kommt ganz ohne Wettbewerbe aus. "Wir verzichten bewusst darauf", sagt Field, "denn der Spaß soll im Vordergrund stehen, nicht der Wettkampf." Im Innern der Halle und auf der Außenschießanlage treffen an diesem sommerlichen Dienstagabend nach und nach Vereinsmitglieder ein, später werden es 13 Männer und Frauen und zwei Kinder sein, die an ihren Schusstechniken feilen. Draußen, gleich neben dem Fußballplatz, auf dem gerade 20 Männer in der Abendsonne dem Ball hinterherrennen, feuern zwei Schützen abwechselnd Pfeile auf eine Zielscheibe ab. Dahinter stehen Gummitiere, hier ein Fuchs, da ein Reh. Alle Tiere haben etliche Abdrücke von Pfeilspitzen, auf sie wurde schon oft gezielt.

Das A und O beim Bogenschießen: Das Ziel fest im Blick und ein gutes Gespür für den Körper haben. (Foto: Marco Einfeldt)

Hans Field hatte den Verein 2009 gegründet. Für den Film- und Theatermusiker steht das Kampf- und Jagdschießen, wie es im Mittelalter praktiziert wurde, im Vordergrund. Deswegen der Name "Sherwood Forest", nach dem Wald, in dem Robin Hood gelebt haben soll. Auch die Pfeile und Bögen sind denen des Mittelalters nachempfunden. "Sie haben eine enorme Durchschlagskraft", sagt Field, "damals waren sie sogar rüstungsbrechend." Deswegen achtet der gebürtige Nordengländer auch penibel auf die Sicherheitsvorschriften. "Wird geschossen, darf sich niemand vor der Sicherheitslinie aufhalten", sagt er und zeigt auf eine Linie am Boden, die den grauen Schussbereich von dem roten Aufenthaltsplatz trennt. Wenn Harry, auch Schütze und Vereinsmitglied, mit durchdringender Stimme "Pfeile holen!" ruft, darf nicht mehr geschossen werden. Dann lesen alle die Pfeile vom Boden auf und gehen hinter die Sicherheitslinie.

Mit dem Bogen darf Dann darf auch auf Tiere, aber natürlich nur aus Gummi, geschossen werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Dass die Sportgeräte auch als Waffe missbraucht werden können, ist Hans Field bewusst. Auch dass der Sport oft kritisch beäugt wird. Mit der Kirche habe er hin und wieder Probleme, sagt er, weil auch Kinder ab acht Jahren im Verein schießen dürfen. Außerdem hätte die Kirche sich am "Nikolaus-Schießen" gestört. Dann hat Field einfach Kirchenvertreter eingeladen und erklärt, dass sie nicht auf den Nikolaus schießen, sondern Kinder einen solchen aus Schokolade gewinnen können. Für Field, den kräftigen Mann mit den weißen Haaren, hat derjenige, der Bogenschießen mit Gewalt assoziiert, die sportliche Komponente nicht erkannt. "Pfeil und Bogen sind Sportgeräte - siehe Olympia." Klar, Missbrauch könne es immer geben, aber davon distanziere er sich deutlich.

Markus Ertl ist an diesem Dienstagabend zum "Hereinschnuppern" dabei. Der IT-Consultant sucht einen Freizeitsport, um von der stressigen Arbeit abzuschalten. Weil er nach einer Verletzung nicht mehr Fußball spielen kann, versucht sich der 31-Jährige jetzt im Bogenschießen. "Man bekommt ein gutes Gefühl für den Körper und es ist nicht so testosterongesteuert wie Fußball", findet Ertl. "In Zeiten von Amokläufen" denke er schon, dass das ein ungewöhnliches Hobby ist, "aber genau wie bei Ballerspielen kommt es immer drauf an, wer es macht", findet er. "Ich würde auch nie auf die Idee kommen, auf Tiere zu schießen", Tötungsgedanken, Machtgefühl? "Niemals", sagt er verwundert. Ihn fasziniere es vielmehr, beim Schießen die nötige Konzentration aufzubringen, mit dem Fokus nur aufs Ziel. Genau das ist auch der Grund, warum Regine Lösl seit sechs Jahren zum Schießen in den Verein kommt. "Wenn ich mich aufs Ziel konzentriere, kann ich abspannen", erklärt die 45-jährige Steuerfachangestellte. An diesem Abend hat sie ihren Sohn mitgebracht. Der Teenager probiert noch, ob der Sport etwas für ihn ist. Pfeil und Bogen bewahrt Regine Lösl getrennt voneinander auf, denn: "Ich weiß ja, dass das auch eine Waffe sein kann." Um wirklich ganz sicher zu gehen, entfernt sie dann noch die Sehne vom Bogen.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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