Blasmusik in all ihren Facetten:Gemütlich und ein bisschen verrückt

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Nach ersten Schätzungen kommen etwa 8500 Besucher zur Echinger Brass Wiesn, das ist neuer Rekord. Sie schätzen die besondere Atmosphäre des Festivals

Von Alexandra Vettori, Eching

Eigentlich wollte Brass-Wiesn-Veranstalter Alexander Wolf am Wochenende die 10 000-er Marke knacken, das hat wohl nicht ganz geklappt. Die Abrechnung war am Sonntag noch nicht fertig, doch ging man von 8500 Besuchern aus - immerhin die höchste Zahl in der fünfjährigen Geschichte des Blasmusik-Festivals am Echinger See. Alles hat gepasst, das entzerrte Konzept für die Camper, das Wetter, die Musik der 41 Blaskapellen, die bis aus New York kamen, und die Stimmung, die auch heuer eine ganz besondere war.

Sebastian, 21, aus Aich bei Landshut, bringt es auf den Punkt. Was ihm so gefalle, sagt er, das seien "die Musik und die Leute. Auf anderen Festivals sind sie nicht so gemütlich drauf". Sebastian ist mit 30 Leuten angereist, ihre Zelte sind am Freitagabend längst aufgebaut, es war sogar Zeit, leere Bierdosen in den Bauzaun zu flechten, der um das Camping Areal aufgestellt ist. "Wir hatten keine Plane dabei, das macht auch Schatten", sagt er grinsend.

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Obwohl das Festival erstmals schon am Donnerstagabend startet, ist die erste große Anreisewelle erwartungsgemäß am Freitag. Der neue Komfort-Campingplatz für Wohnmobile mit Nachtruhe ist am Spätnachmittag voll, das meiste Partyvolk kommt mit Hand- und Sackkarren und Autoanhängern aus Kötzting, Schwandorf, Mühldorf, Pfaffenhofen, Garmisch oder Traunstein. Noch bevor im Festzelt die Frauenband Blechbixn das Festival eröffnet, ertönen auf dem Campingareal die Trompeten. Geschätzt die Hälfte der Besucher ist selbst Musiker, zwischen Grill, Campingstühlen, Autos und Zelten gibt es die ganze Nacht Spontan-Konzerte, sogar in Warteschlangen an den Bierständen oder am See, wo viele Partygäste die heißesten Stunden des Tages verbringen.

Ihren Höhepunkt erreicht die Brass Wiesn am Samstag, Zugpferde wie Haindling, Fiva X JRBB, Kofelgschroa oder Moop Mama stehen auf dem Spielplan, während sich im Süden, von der Abendsonne beleuchtet, Gewitterwolken auftürmen. Doch nur wenige bange Blicke richten sich auf das Schauspiel am Himmel, offenbar erinnern sich nur die älteren Besucher an die Evakuierung des Festivals, das vor acht Jahren Sonnenrot hieß und noch kein Blasmusik-Ereignis war. Damals fegte ein Gewittersturm über Zelte und Bühne, die Besucher kamen in Turnhallen unter. An diesem Wochenende aber, als wolle der Wettergott das wieder gut machen, blieb der kleine Fleck am Echinger See verschont, wie auch Stefanie Posor vom Organisationsteam am nächsten Morgen fast staunend erzählt: "In Garching war Land unter, und hier in Eching hat es nur getröpfelt."

In einem Moment der Muße betrachtet Sigi vom nahen Hügel aus das Gewusel unten. Er komme aus Eching, erzählt der Mittvierziger, und sei schon zum fünften Mal auf der Brass Wiesn. "Wenn man da wohnt und schon mal was los ist, muss man da natürlich hin." Was er so möge, seien die vielen Musiker unter den Leuten, "und dass es so friedlich ist, Jung und Alt kommen hierher, es gibt kaum Pöbeleien. Und im Zeltlager machen sie bis fünf Uhr Musik, das höre ich bis zu mir heim." Von Ruhestörung mag er nichts wissen, "das kann nicht schlecht sein, wenn man die Leute einfach mal spielen lässt". Einfach mal spielen, das dürfen auch der vierjährige Jonas und seine vier Freunde. Sie sitzen auf einem der im Festivalgelände verteilten alten Traktoren und arbeiten an den Hebeln und Kurbeln, was das Zeug hält. Die Eltern sitzen daneben in Liegestühlen. "Wir drei Papas übernachten mit den Kindern hier, die Mamas fahren heim", erzählt Frank aus München. Er sei früher leidenschaftlicher Festivalbesucher gewesen, jetzt mit den Kindern sei das nicht mehr so leicht. Bei der Brass Wiesn aber gehe das, auch bei einbrechender Dunkelheit. "Jetzt hängen wir ihnen dann Leuchtstreifen um, dann können wie sie wieder laufen lassen", sagt er.

Voll des Lobes für die Besucher sind auch Feuerwehr und Rettungsdienst, "wenn wir durchfahren, wird gewunken, alle gehen auf die Seite". Ein junger Mann in Lederhosen und mit Hopfenkranz-gesäumtem nackten Oberkörper stolpert auf den Außenposten der Rettungsleute zu, "nein, wie haben kein Bier", sagt Andreas Nettel von der Echinger Feuerwehr. Hier trinkt man Wasser und Apfelschorle. 17 Schichten mit je sechs bis neun Leuten sind über das Wochenende im Dienst, hinter mit schwarzer Folie verhülltem Bauzaun hat das Echinger Rote Kreuz eine kleine Zeltstadt aufgebaut. Gerade ist Bewegung im Lager, ein Besucher ist von einer Bierbank gefallen und wird vorsichtshalber ins Krankenhaus gefahren. Auch Maximilian Wallner vom Roten Kreuz lobt die Brass-Wiesn-Besucher, "ich hatte bisher nicht einen aggressiven Patienten und habe bestimmt schon 20 Mal gehört, super, danke, dass ihr den Job macht."

"Sehr zufrieden" ist auch Stefanie Posor vom Organisationsteam. Besonders gefreut hat sie eine Mail, die sie schon von der amerikanischen Band Lucky Chops nach deren Auftritt am Freitag bekommen hat. Darin hieß es, der Auftritt in Eching sei "one of the craziest and most beautiful experiences of our lives" gewesen. Einen kleinen Kulturschock haben die Lucky Chops freilich ihren bayerischen Backstage-Betreuern verpasst: Sie mussten mit ansehen, wie ein Bandmitglied Leberkäs mit Kartoffelchips verspeiste.

Künstlerische Begabung zeigen auch die Camper mit ihrem innovativen Sonnenschutz aus Dosen. (Foto: Marco Einfeldt)
© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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