Politikbetrieb hautnah:Ein Blick hinter die Kulissen von Maximilianeum und Reichstag

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Auch Gruppen aus dem Landkreis können die Abgeordneten aus der Region in Berlin besuchen und erhalten Einblick in die Arbeit des Parlaments. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Hunderte Besucher aus den Landkreisen Freising und Erding nutzen jedes Jahr die Gelegenheit, Landtags- und Bundestagsabgeordnete aus der Region zu besuchen. Die sehen darin einen wichtigen Beitrag gegen Politikverdrossenheit.

Von Paula Dick, Freising/Erding

Bezahlte Busfahrt, Museumsbesuche, Einblicke in die Vorgänge im Maximilianeum oder im Reichstag und vielleicht sogar ein gemeinsames Abendessen mit dem Abgeordneten des eigenen Wahlkreises: All das sind Programmpunkte der Besucherfahrten, die Politiker aus Land- und Bundestag ihren Wählerinnen und Wählern anbieten können. Auch im Landkreis machen sie davon Gebrauch - und sie berichten von sehr positiven Erfahrungen.

Für die Teilnehmenden entstehen dabei kaum Kosten, den Großteil übernimmt der Staat. Die viertägige Fahrt nach Berlin umfasst den obligatorischen Besuch mit Führung im Bundestag, ein Informationsgespräch in einem Bundesministerium sowie die Besichtigung historischer oder kulturell bedeutsamer Orte in Berlin. Die vom Landtagsamt organisierten Fahrten ins Maximilianeum bestehen aus einem Tagesausflug, der mit dem Empfang der Gruppe durch den Abgeordneten im Landtag beginnt. Es folgen ebenso Besichtigung und Führung sowie ein gemeinsames Abendessen, im Idealfall mit dem Abgeordneten. Die Teilnehmenden müssen dabei nur geringe Eigenanteile entrichten.

Eine Sprecherin des Bundespresseamtes gab an, für das Jahr 2023 gehe man im Bundestag von ungefähr 110 000 Teilnehmenden aus ganz Deutschland aus, dafür stehe ein Budget von mehr als 35 Millionen Euro zur Verfügung. 2022 nahmen noch etwa 86 200 Bürgerinnen und Bürger an einer solchen Fahrt teil. Mit dabei sind jeweils bis zu 50 Personen. 2022 lagen die Kosten dafür bei durchschnittlich 13 200 Euro.

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Im Landtag beläuft sich das Budget für Besuchergruppen im laufenden Jahr auf 900 000 Euro. Für Jugendgruppen, Schulklassen und Multiplikatoren politischer Bildung sind 300 000 Euro eingeplant. Dabei handele es sich um politische Informationsfahrten, deren Ziel es sei, über die politische Arbeit des Bundes-oder Landtages, der Bundesregierung und von Behörden sowie über die jüngere deutsche Geschichte zu informieren. Eine rundum gute Sache?

"Ja", meinen die Freisinger Abgeordneten einhellig. "Meine Erfahrungen mit den Besuchergruppen sind durchweg positiv", sagt Landtagsabgeordneter Benno Zierer (Freie Wähler). "Ich freue mich über das große Interesse an den Landtagsfahrten, denn sie sind ein wichtiges Instrument, um den Bürgerinnen und Bürgern die Arbeit der Abgeordneten näherzubringen und einen Blick hinter die Kulissen des Parlaments zu ermöglichen." Wichtig sei ihm auch das persönliche Gespräch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern - "da gibt es immer sehr viele Fragen und oft reicht die Stunde, die dafür eingeplant ist, gar nicht aus". Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Mehltretter sagt, die Fahrten seien ein wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit des deutschen Bundestages. Der interne Einblick in die Abläufe des Parlaments stärke zudem das Verständnis für die politischen Prozesse.

Auch auf den Ministerpräsidenten kann man bei einem Besuch im Maximilianeum auf dem Weg ins Plenum treffen. (Foto: Johannes Simon)

Die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern ist für die Abgeordneten nach eigenem Bekunden der wichtigste Aspekt der Fahrten. Im Landtag steht den Politikern dabei jeweils ein Kontingent von 100 Besuchern pro Jahr zu, im Bundestag sind es 150. Dabei werden die Gruppen meist in 25 bis 50 Personen unterteilt. Auf Nachfrage geben die Abgeordneten aus dem Landkreis alle ein ähnliches Prozedere für die Auswahl der Teilnehmenden an. Privatpersonen oder ganze Gruppen können sich im Laufe des Jahres per E-Mail oder Anruf auf eine Liste setzen lassen, die mit Festlegung der Termine abgearbeitet wird.

Für den Bundestag gibt es ein Online-Portal, in dem sich Interessierte eintragen können, sowie die Websites der Abgeordneten, die über Bewerbungsoptionen verfügen. Darüber hinaus steht den Politikern zusätzlich ein Kontingent für Menschen mit Behinderung zur Verfügung sowie den Bundestagsabgeordneten eine weitere Fahrt speziell für den Betreuungswahlkreis.

Die Politiker selbst betonen den inklusiven Anspruch der von ihnen organisierten Fahrten. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Becher sagt: "Wir versuchen, allen Interessierten den Besuch im Landtag zu ermöglichen. Abgelehnt per se wird niemand. Wir bewerben unsere Gruppen über unser Social Media und die Presse, daher kann man sich einfach anmelden." Grundsätzlich gelte: "First come, first served - wer sich zuerst meldet, bekommt den Platz." Wer keinen mehr erhält, werde auf Wunsch auf die Warteliste gesetzt und einige Tage vor der offiziellen Bewerbung angeschrieben.

Auch Vereine und Ortsverbände werden regelmäßig eingeladen

Neben den Bewerberlisten laden viele Politiker auch ganz gezielt ehrenamtliche Vereine, Ortsverbände oder Organisationen ein. Dies seien, so Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU), bei weitem nicht nur Parteizugehörige: "Es sind verschiedenste Vereine, die an mich herantreten. Beispielsweise haben wir den VdK eingeladen, oder vor kurzem war eine Gruppe aus der US-amerikanischen Stadt West Chicago da - Partnerstadt von Taufkirchen. Aber natürlich ist es nicht üblich, dass zum Beispiel SPD-Mitglieder als Besuchergruppe zu einer CSU-Abgeordneten kommen".

Der Kontakt mit den eigenen Abgeordneten ist zwar manchmal, aber nicht immer Bestandteil der Fahrten. Insbesondere bei den Besuchen in Berlin kommt es vor, dass die keine Zeit haben, die Veranstaltung zu begleiten oder ein persönliches Gespräch zu ermöglichen. Eine Teilnehmerin einer Fahrt von Grünen-Parteimitgliedern nach Berlin im Herbst 2022 erzählt, Leon Eckert sei bei manchen der Programmpunkte dabei gewesen. "Dadurch ist ein Blick hinter die Kulissen möglich geworden, in einer wirklich familiären Atmosphäre". Ein anderer Besucher berichtet, Eckert sei während seiner Fahrt im Urlaub gewesen, sodass leider kein persönlicher Kontakt zustande gekommen sei. Da Sommerpause war, habe man auch keine Plenarsitzung, die sonst häufig Teil des Programms ist, verfolgen können; trotzdem könne er die Fahrt vollumfänglich weiterempfehlen.

Das Programm ist dicht getaktet - die Teilnahme verpflichtend

Insgesamt ist der Ablauf der Besucherfahrten in Land- und Bundestag nie gleich - außer, dass man wenig Freizeit hat. Die Fahrten sind dicht getaktet und die Teilnahme an den Veranstaltungen ist verpflichtend, da sie durch Steuergeld finanziert sind. Dennoch sind die Feedbacks durchweg positiv. Sofern er zustande kommt, schildern die Besucher insbesondere den persönlichen Kontakt zu den Politikern als Highlight. Ein Teilnehmer einer Landtagsfahrt des Abgeordneten Benno Zierer berichtet: "Er hat uns wirklich Rede und Antwort gestanden!".

Bürgernähe und direkte Gespräche sind offenkundig bewährte und nach wie vor beliebte Mittel, um die oftmals angespannte Stimmung dieser Tage im Land zu besänftigen. Der Kontakt zu Menschen in einer Zeit, in der die Demokratie ein Stück weit in der Krise stecke, sei enorm wichtig, so der Wahlkreisbüroleiter eines Abgeordneten. Er selbst spüre diese Stimmung, sobald er auf die Straße gehe. Zwar sei er selbst kein Berufspolitiker. Doch in dem kleinen Ort, in dem er lebe, merke er, dass die Menschen auf die Partei, für die er arbeitet, teils angespannt, wenn nicht sogar aggressiv reagierten. Sie werden sich den Besuchergruppen vermutlich eher nicht anschließen.

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