Bauernprotest im Landkreis Freising:"Für die Landwirte kann es so nicht weitergehen"

Lesezeit: 3 min

"Es wird immer unattraktiver, Landwirt zu sein - beziehungsweise schwieriger, als Familienbetrieb zu überleben", sagt die Bäuerin Maria Grandl. (Foto: Andreas Gebert)

Die Familie von Maria Grandl bewirtschaftet einen Betrieb in der Gemeinde Marzling. Sie versteht, dass die Landwirte gegen die Agrarpolitik demonstrieren - denn die Auflagen würden immer mehr. Der Protest ist müsse lauter werden, sagt sie.

Interview von Gudrun Regelein, Marzling

Auch die Grandls in der Riegerau bei Marzling haben ein grünes Kreuz, das als Zeichen des Protests gegen die Landwirtschaftspolitik und das Höfesterben gilt, auf einem ihrer Felder aufgestellt. "Genauer gesagt stand es dort, es ist aber umgefallen", erzählt Maria Grandl. Die 64-Jährige führte viele Jahre lang gemeinsam mit ihrem Mann den Milchviehbetrieb, bis sie ihn - nach dem Tode ihres Mannes - 2013 an einen ihrer Söhne übergab. Im Gespräch mit der SZ Freising erzählt sie, weshalb es immer schwieriger wird, als konventioneller Landwirt zu überleben und weshalb sie die Proteste der Bauern versteht. Tausende blockierten in ganz Bayern vor zwei Wochen mit ihren Traktoren die Straßen, um ihrem Unmut gegen die Agrarpolitik Luft zu machen. Auch im Landkreis beteiligten sich viele Landwirte an der Demonstration.

SZ: Waren Sie bei der Demo auch dabei?

Maria Grandl: Nein, aber mein Sohn war mit einem Traktor dort. Ich war bei einer Ü-55-Berufsgenossenschaftsversammlung des Bauernverbandes - bei der ging es übrigens um Stolperfallen für Senioren und um Unfallgefahren in landwirtschaftlichen Betrieben.

Aber Sie haben Verständnis, dass die Bauern nun auf die Straße gehen?

Absolut. Ich bin schon seit 30 Jahren als Mitglied im Bayerischen Bauernverband, unserer Berufsvertretung, aktiv auf die Straße gegangen und habe Verbraucheraufklärung betrieben. Das war anscheinend zu "leise". Jetzt ist es an der Zeit zu zeigen, dass es für die Landwirte so nicht weitergehen kann. Den Verkehr zu behindern, erzeugt natürlich Aufmerksamkeit - auch in den Medien.

Freisinger Köpfe
:Stimme erheben für die Landwirte

Maria Grandl engagiert sich in Bauernverband und Politik

Protestiert wurde auch gegen das Agrarpaket: Strengere Verordnungen bei der Tierhaltung, geringerer Einsatz von Pestiziden und dazu dürfen immer weniger Gülle und Dünger ausgebracht werden. Welche Folgen hat das für die Bauern?

Eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Europäischen Union. Es wird immer unattraktiver, Landwirt zu sein - beziehungsweise schwieriger, als Familienbetrieb zu überleben. Einen Strukturwandel gibt es aber bereits seit vielen Jahren. Viele Landwirte finden keine Nachfolger, andere geben auf, weil Investitionen nicht möglich und zu hoch sind und dadurch der Betrieb unrentabel wird. Noch andere resignieren und suchen sich einen anderen Beruf. Es wird tatsächlich immer komplizierter und für uns nicht einfacher, bei den vielen Auflagen noch wirtschaftlich zu arbeiten. Wir können beispielsweise unsere Jungkühe in den Isarauen nicht mehr auf die Weide lassen, da es FHH-Gebiet und auch für viele Hundebesitzer eine beliebte Gassistrecke ist.

Viele konventionelle Landwirte beklagen, dass sie als Alleinverursacher für das Insektensterben und den Klimawandel an den Pranger gestellt werden. Aber sind sie denn nicht teilweise mit schuld daran?

Nein. Wir auf dem Land haben noch Bienen, Insekten und Vögel, wir bekommen nur wenig davon mit. Das wird in meinen Augen in Bayern seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" alles etwas hochgepuscht. Klimawandel ist ein globales Problem, das die Industrialisierung verursacht hat. Was mich wirklich ärgert ist, dass immer nur die Landwirte als Schuldige genannt werden. Das ist einfach nicht so. Ich könnte den Spieß umdrehen und sagen, dass der deutsche Verbraucher mit seinem Konsumverhalten und mit seiner Forderung nach billigen Lebensmitteln Schuld hat.

Aber es gab doch eine falsche Agrarpolitik in den vergangenen Jahrzehnten nach dem Motto "Wachse oder weiche"? Je mehr Flächen und Vieh, umso üppiger die Zahlungen...

In meinen Augen ist nicht nur die Politik schuld an der Misere. Wir Landwirte sind tatsächlich auf die Ausgleichszahlungen angewiesen, damit rechnet jeder Landwirt, ganz klar. Ohne diese ginge es gar nicht. Nur wegen Förderungen wird sich aber kein Landwirt mehr Fläche kaufen oder dazu pachten. Bei uns haben viele Nachbarn die Landwirtschaft aufgegeben - deren Flächen werden von den aktiven Landwirten mit bewirtschaftet - die Kulturlandschaft bleibt erhalten.

Was wäre denn für Sie die Lösung für eine Landwirtschaft, die das Klima und die Umwelt schont?

Lasst uns in Ruhe unsere Arbeit machen, die jeder von uns gelernt hat. Das ist meine Antwort.

Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass zukünftig in Bayern 50 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe Biobetriebe sein sollen. Was bedeutet das für die konventionellen Landwirte?

Viele Bauern wären bereit umzustellen, das ist nicht das Problem. Es gibt aber häufig gar nicht die Abnehmer für die Bio-Erzeugnisse. Unsere Molkerei beispielsweise kauft keine zusätzliche Biomilch mehr, weil der Absatz nicht gewährleistet ist. Ich glaube auch nicht, dass die Biobauern das wirklich wollen, der Markt ist ja begrenzt. Also ich denke nicht, dass das funktionieren wird.

Und wie findet sich bei diesen Aussichten noch der Nachwuchs?

Oft nur, wenn sich in einem Familienbetrieb ein Nachfolger findet. Bei uns war es beispielsweise so, dass mein ältester Sohn kaum Interesse hatte, mein jüngerer aber schon. Er führt den Betrieb mittlerweile mit seiner Frau, will und muss nun auch noch kräftig investieren. Eigentlich bräuchte er dafür eine Planungssicherheit für die kommenden 25 Jahre - die hat er aber leider nicht.

© SZ vom 04.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: