Ausstellung im Freisinger Lindenkeller:"Blühende Gefühls-Landschaften"

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Sallie Mc Ilheran-Wunner stellt im Lindenkeller ihre neuen Werke aus und lässt damit tief in ihr Gedächtnis blicken. Zu sehen sind Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder, die durch ihre erzeugten Stimmungen und ungewöhnlichen Details bestechen

Von Clara Wollmann, Freising

Neben den wuchtigen Bauzäunen aus festem Draht wirken Sallie Mc Ilheran-Wunners Kunstwerke noch feiner, beinahe zerbrechlich. Die kräftigen Farben leuchten, flirrende Lichtflecken und zarte Striche ziehen den Betrachter zu sich heran. Die außergewöhnliche Befestigung mithilfe eines Gerüstbauunternehmens, wenn auch ursprünglich aus der Not geboren, passt gut zur Idee der Ausstellung - sowie zu Freising und seinen Baustellen, wie Sallie sagt und lacht.

So vieles sei momentan im Umbruch, das Leben werde immer schnelllebiger, die Zeit schwieriger zu greifen: "Man hinterlässt seine Spuren, wenn man nach ihnen sucht." Timeless Traces - Zeitlose Spuren, lautet auch der Titel, unter dem Mc Ilheran Werke der vergangenen Jahre zeigt, von Donnerstag, 1. Oktober, bis Samstag, 10. Oktober, täglich von 10 bis 13 Uhr im Oberhaus des Lindenkellers. Die Werkschau verspricht eine Reminiszenz an ihre Kunstausstellung vor 20 Jahren im Foyer des Freisinger Asamgebäudes. Seit 25 Jahren begleitet sie diese Stadt auf ihrem Weg, über alle Veränderungen ihres Zeichenstils hinweg. "Anfangs habe ich sehr genau auf Realismus geachtet, doch das hat mich eingeengt", blickt sie zurück und betont: "Ich möchte mehr malen, wie ich sehe, und nicht, was ich sehe."

Gerade in Krisenzeiten wie diesen sei die Kunst notwendig, so Mc Ilheran. (Foto: Marco Einfeldt)

Auch wenn die ausgestellten Kunstwerke erst in den vergangenen vier, fünf Jahren entstanden sind, so taucht in ihnen das gesamte Leben von Mc Ilheran auf. Das Vergangene, das Gegenwärtige, das Kommende verschwimmt zu einem Ganzen, wie der schwere Nebelschleier, der in einigen Bildern zu sehen ist, sich über die Erinnerung legt. Auch die Sicht des Betrachtenden trübt semitransparentes Papier vor farbintensiver Pastelltechnik, filigrane Details stechen umso deutlicher ins Auge. Man taucht ein in Szenen aus Wäldern und Wasser, durch die Bäume schimmert goldenes Sonnenlicht. Ein Reh, Birken am Fluss, auf der Wasseroberfläche spiegelt sich der Himmel und Tiefgründigkeit.

"Es sind die kleine Details, die mit der Zeit vage und ungenauer werden", erzählt Sallie Mc Ilheran. Durch die Malerei und Zeit setzt sie sich mit ihrem eigenem Gedächtnis auseinander, sie "spürt und schaut" in sich hinein und versucht, das mit Farbe und Licht vermitteln. Oft sind es Landschaften, die für sie durch Erinnerungen eine Bedeutung gewinnen, Stimmungen oder Träume. Die Natur kehrt immer wieder in Mc Ilherans Erinnerungen zurück. Auch sie befinde sich im Umbruch, betont die Künstlerin, der natürliche Lebensraum und die kraftspendende Wirkung dürften nicht in Vergessenheit geraten.

Mehrmals wurde der Termin für die Ausstellung im Unterhaus des Freisinger Lindenkellers verschoben. (Foto: Marco Einfeldt)

Ebenfalls wohltuend, das weiß Mc Ilheran am besten, sei die Kunst, gerade in Krisenzeiten. Auch aus diesem Grund ließ Mc Ilheran nicht locker. Seit April musste die Eröffnung mehrmals verschoben werden, beim vierten Termin hat es geklappt. Diese Ausstellung liegt der Künstlerin besonders am Herzen, ihr bedeutet sie als wichtiger Teil ihres persönlichen Wegs viel. Die präsentierten Bilder entstanden in den vergangenen drei bis vier Jahren, in einer Schaffensphase nach längerer Pause, in der sie sich einem Lehrauftrag in den USA widmete. Nach jahrelangem Pendeln zwischen Texas, ihrem Geburtsort, und Freising, entschlossen sich Mc Ilheran und ihr Ehemann Johannes Wunner zum endgültigen Umzug nach Bayern. Das bedeutete Abschiednehmen, neues Ankommen, Sehnsucht nach der alten Heimat und dem, was einmal war. "Ich wollte diese kreative Zeit meiner Vergangenheit widmen, dem, was ich nicht mitnehmen kann, aber an das ich mich erinnere." So gibt Sally Mc Ilheran Einblick in ihre persönliche Geschichten.

Was nicht leicht in Worte zu fassen ist, transportiert ihre Malerei. Oder, wie es Heinz P. Adamek, einer von Mc Ilherans Weggefährten aus ihrer Studienzeit in Wien, im Vorwort des Museumskatalogs formuliert: "Manche dieser Arbeiten (ver)bergen Melancholien, Schmerz, Trauer, sind Dokumente des Abschieds und Loslassens, andere atmen Zuversicht und Neubeginn im Glauben an die Schönheit des Lebens, sind Kantilenen der Heiterkeit, gleichsam blühende Gefühlslandschaften zwischen Ebbe und Flut der Freude." Es ist, als sei man stiller Beobachter im Kopf der Künstlerin, eingeladen zum "Spüren und Schauen". Man kehrt an die Schauplätze ihrer Kindheit zurück, treibt durch die Sümpfe von East Texas, während man die kleineren Ölbilder aus der Serie "Johnson Ranch - Boondock Series" betrachtet. Beinahe spürt man die Feuchtigkeit in die Kleider ziehen, da setzen schon eigene Erinnerungen ein. Umso erstaunlicher, wie detailgenau Mc Ilheran ihre Gedanken festhält. Viel malt sie aus dem Kopf, bei einigen Szenen fertigt sie Skizzen und Fotografien an. Wenn sie in der Natur ist, versucht sie, zu sehen und zu fühlen. Denn das ist für Sallie Mc Ilheran wahre Detailliebe: Nicht jeder Einzelheit muss Beachtung geschenkt werden, es geht darum, welches Detail und mit welcher Genauigkeit sie es malt.

Sallie Mc Ilheran, Timeless Traces - Zeitlose Spuren, Lindenkeller, Oberhaus, bis 11. Oktober, täglich von 13 bis 18 Uhr.

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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