Auf Betreiben von Graf Montgelas:Glückliche "Zwangsehe"

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Mintrachinger und die Neufahrner haben sich nicht immer gut verstanden. Seit 1818 hat man sich aber zusammengerauft

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Es gab Zeiten, da hätten Neufahrner Männer es niemals gewagt, sich eine Braut in Mintraching zu suchen. Umgekehrt war es nicht anders. Und als die Mintrachinger den Neufahrner Maibaum stehlen wollten, hat das "fast zu einem Krieg geführt", erzählt Ernest Lang schmunzelnd, und der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins versichert: "Das hat sich mittlerweile alles gelegt." Es hat aber schone eine ganze Zeit gedauert, bis die beiden Nachbardörfer emotional zusammengewachsen sind, nachdem sie samt der Einöde Grüneck "von oben" zu einer Gemeinde zusammengelegt worden waren.

Montgelas, der mächtige Minister von König Max I. Josef, hatte vor 200 Jahren im neuen Königreich Baiern die Verwaltung völlig neu organisiert, und die Kopie einer amtlichen Eintragung belegt: Der 13. August 1818 war gewissermaßen die "Geburtsstunde" der Gemeinde Neufahrn, wie der Mintrachinger Historiker Walter Ort jetzt bei einer Veranstaltung des Heimatvereins aufzeigte. Baiern war damals um die 1803 säkularisierten geistlichen Hochstifte sowie um Franken und Schwaben auf mehr als die doppelte Größe angewachsen. König Max ließ das Land neu vermessen, weil er Geld und deshalb wiederum eine einheitliche Grundlage für Steuern brauchte. Bei der Gelegenheit wurde auch die Verwaltung des Landes neu aufgestellt.

Gemeinden wurden neu geschaffen - etwa Eching und Günzenhausen, Giggenhausen und Massenhausen, Pulling und Neufahrn. Warum Mintraching gerade mit Neufahrn zusammengelegt wurde, konnte auch Ort nicht so genau sagen. Vielleicht weil beide vom gleichen Seelsorger betreut wurden, überlegt er. Oder weil man bewusst Dörfer mit gleicher - in diesem Fall schlechter - Bodenqualität zusammenfassen wollte, um die gleichen Steuersätze anwenden zu können.

Neufahrn hatte damals 209 Einwohner, in Mintraching-Grüneck waren es weitere 151. Der erste Gemeindevorsteher hieß Kaspar Reitmeier. Mit der "Zwangsehe" wollte man sich aber offenbar noch länger nicht abfinden, wie die Nachforschungen von Ort ergaben. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es demnach einen Antrag, der "von der Gemeindeverwaltung nachdrücklich unterstützt" wurde und darauf abzielte, beide Ort zu selbständigen Gemeinden zu machen. Die Abstimmung unter den Bürgern fiel eindeutig aus, aber das Innenministerium sah laut Ort keinen Grund, dem auch stattzugeben. Nach dem zweiten Weltkrieg hätte sich Mintraching dann gerne mit Dietersheim zusammengetan. Das lehnte der damalige Landrat Philipp Held ab.

Bereits 1876 war ein Mann Bürgermeister geworden, der eigentlich beide Dörfer repräsentierte: Josef Grimmer war Mintrachinger, hatte aber nach Neufahrn eingeheiratet. 28 Jahre lang blieb er im Amt. Eigentlich sollte nach ihm auch einmal eine Straße benannt werden, gab eine Zuhörerin zu bedenken. Heute kommt der erste Bürgermeister aus Neufahrn, Mintraching stellt schon länger den Vize. Aus den 350 Einwohnern bei der Gründung der Gemeinde sind 200 Jahre später knapp 22 000 geworden. Die Gemeinde ist aber auch geografisch noch einmal gewachsen - die früher eigenständigen Gemeinden Giggenhausen und Massenhausen sind dazugekommen.

Immer noch kann man hier und da hören, dass Mintraching gegenüber Neufahrn benachteiligt werde, etwa beim Straßenausbau oder bei Baugenehmigungen, erzählte Karl Manhart. Im Heimatverein arbeiten die Mitglieder aber offenbar übergreifend gut zusammen: Am 13. November halten zwei Mintrachinger - Brigitte Holzner und Lukas Wollscheid - im Neufahrner Gasthof Maisberger einen Vortrag über die Auswirkungen des 30-jährigen Krieges auf diese Gegend. Beginn ist um 20 Uhr.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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