Apotheker in der Krise:"Vom Schubladengeschäft kann keiner mehr leben"

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Viel Bürokratie, viele Notdienste, wenig Profit. Vor allem Apotheker auf dem Land sind mit ihren Arbeitsbedingungen nicht mehr zufrieden. (Foto: Marco Einfeld)

Auf dem Land müssen immer mehr Apotheken schließen, weil das Geschäft nicht mehr so lukrativ ist wie früher und weil sich keine Nachfolger finden. Berufsanfänger zieht es in die Stadt.

Von Gudrun Regelein, Landkreis

In Deutschland gibt es immer weniger Apotheken - alleine im vergangenen Jahr haben 192 Geschäfte geschlossen. Auch in Bayern sank 2015 die Zahl der Apotheken um 58 auf derzeit 3236. Gerade auf dem Land fehlt oft der Nachwuchs, Nachfolger oder selbst Urlaubsvertretungen sind dort nur sehr schwierig zu finden. Die Inhaberin der St. Georgs-Apotheke in Neufahrn, Rita Zeilhofer, beispielsweise sucht seit etwa fünf Jahren einen Nachfolger - bislang ohne Erfolg. Ende des Monats ist nun Schluss, Zeilhofer sperrt die Apotheke zu ( siehe Interview). Ende 2015 gab es im Landkreis Freising 37 Apotheken, davon alleine 15 in der Stadt Freising, berichtet Ingrid Kaiser, Apothekensprecherin im Landkreis. Für Kaiser ist der Beruf zwar nach wie vor ihr "Traumberuf". Dennoch kann sie sich vorstellen, dass es gerade im ländlichen Raum zu Engpässen kommen könnte - ähnlich wie bei den Hausärzten. Denn gerade die jungen Apotheker wollten lieber in der Großstadt arbeiten, sagt sie. Nicht nur, da für viele München als Wohnort attraktiver als das Land sei, sondern auch, da in einer größeren Stadt die Arbeitsbedingungen oft einfacher seien. "Dort müssen zum Beispiel weniger Notdienste geleistet werden." Von einem Apothekensterben im Landkreis will Ingrid Kaiser zwar noch nicht sprechen, gehäufte Schließungen gebe es nicht. Aber immer weniger junge Apotheker seien bereit, sich auf die Selbständigkeit einzulassen.

Gründe gebe es dafür viele, sagt Ingrid Kaiser. Zum einen sei der Apothekerberuf nicht mehr lukrativ, "die goldenen Zeiten sind vorbei" - erst ab einer gewissen Größe sei eine Apotheke rentabel. Hinzu komme wachsende Bürokratie, die pharmazeutische Arbeit werde immer mehr in den Hintergrund gedrängt. "Da gibt es viel Arbeit hinter den Kulissen." Junge Menschen, auch Berufsanfänger, wollten häufig nur noch Teilzeit arbeiten, sagt Uwe Scholz-Wittig von der Sonnen-Apotheke in Au. Seit nunmehr einem Jahr suche er nach einem weiteren Apotheker, bislang ohne Erfolg. "Die Work-Life-Balance ist den jungen Menschen von heute wichtig." Viele richteten ihren Fokus auf ihre Freizeit, wollten Spaß am Leben haben - und würden dafür lieber ein geringeres Einkommen in Kauf nehmen.

Inhaber müssen sich spezialisieren - zum Beispiel mit einer "Wohlfühl-Apotheke"

Der ländliche Raum sei für diese Lebensform eher weniger attraktiv - je schlechter die Verkehrsanbindung, umso unattraktiver werde er. Johanna Huber, die gemeinsam mit einer Partnerin die Abens-Apotheke in Mainburg führt, zu der viele Kunden aus dem nahen Landkreis Freising kommen, bestätigt das. Sie selbst habe zwar im vergangenen Sommer, als sie eine weitere Apothekerin einstellen wollte, Glück gehabt. Auf ihre Anzeige erhielt sie genau eine Bewerbung - und "das hat gepasst, die Kollegin wollte aufs Land." Grundsätzlich aber sei es gerade in ländlichen Regionen schwierig, Apotheker zu finden, sagt auch Huber.

Apotheken-Sterben
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Rita Zeilhofer hat keinen Nachfolger finden können: Am Ostersamstag schließt nun ihre Georgs-Apotheke in Neufahrn.

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Ob sie, wenn sie eines Tages nicht mehr arbeiten wolle, einen Nachfolger und Käufer finden werde, könne sie derzeit nicht sagen. "Aber als Altersversorgung sehe ich und meine Partnerin die Apotheke auf jeden Fall nicht." Die Inhaberin der Stadt-Apotheke in Freising, Silvia Tüllmann, ist zwar in einem Alter, in dem viele schon an den Ruhestand denken. Nicht aber die 64-Jährige: "Ernsthaft habe ich mir noch keine Gedanken gemacht." Bei der Größe ihrer Apotheke werde es wohl nur zwei Möglichkeiten geben, meint Tüllmann. "Entweder es findet sich jemand, der meine dazukauft, da sie in sein Konzept passt. Oder ich muss zusperren." Eine relativ kleine Apotheke wie die ihre sei nicht sehr lukrativ. "Vom Schubladen-Geschäft alleine kann man nicht mehr leben." Man müsse sich spezialisieren, sie beispielsweise betreibe eine "Wohlfühl-Apotheke", in der es auch viele kosmetische und kulinarische Produkte gibt.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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