Altersarmut:"Ich kaufe nur Sachen, die billig sind"

Lesezeit: 3 min

Armut im Alter führt oft zu Einsamkeit. Denn ohne Geld ist eine gesellschaftliche Teilhabe nicht möglich. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Immer mehr Menschen im Rentenalter - vor allem Frauen - sind auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen. Auch im Landkreis Freising. Eine Betroffene erzählt, weshalb sie trotz Grundsicherung eisern sparen muss.

Von Gudrun Regelein, Freising

Immer mehr Rentnerinnen und Rentner sind auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen. Ende des ersten Quartals 2023 haben in Deutschland laut Statistischem Bundesamt mehr als 684 000 Menschen Grundsicherung im Alter bezogen. Im Vergleich zum Vorjahr ist ihre Zahl um etwa 90 000 gestiegen. Grundsicherung im Alter erhalten alle Personen, die die Regelaltersgrenze - das ist der Zeitpunkt, an dem die reguläre Altersrente bezogen werden kann - überschritten haben und deren Einkommen nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Eine von ihnen ist Leonore Meul aus Freising. Eisern sparen muss sie dennoch.

Auch im Landkreis gibt es immer mehr alte Menschen, die Grundsicherung beziehen. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Jahr 2012 waren es noch 259 Personen, im Jahr 2022 bereits 324, berichtet Tobias Grießer, Pressesprecher im Landratsamt. In der ersten Hälfte dieses Jahres stieg im gesamten Bereich der Grundsicherung - im Alter und bei Erwerbsminderung - die Anzahl der hilfebedürftigen Menschen im Vergleich zu 2022 sogar um vier Prozent an. Im Jobcenter Freising sind 512 von aktuell 3890 Leistungsberechtigten 55 Jahre und älter (Stand: März 2023). "Bei dieser Personengruppe besteht ein erhöhtes Risiko von Altersarmut" , sagt Bernhard Reiml, Geschäftsführer des Jobcenters Freising.

Bei Leonore Meul ( Name v. d. Red. geändert) besteht nicht nur ein Risiko, sie ist von Altersarmut betroffen. Die 73-Jährige erhält nur eine sehr kleine Rente, 350 Euro im Monat sind es. Obwohl sie immer gearbeitet hat, viele Jahre lang als Pflegekraft in einem Altersheim und zuletzt als Zimmermädchen. Mittlerweile bezieht sie Grundsicherung, monatlich sind es 730 Euro, die sie bekommt. Dennoch muss sie jeden Cent umdrehen, erzählt sie bei einem Telefonat.

270 Euro im Monat müssen reichen

Insgesamt 1080 Euro hat sie im Monat, davon gehen alleine schon 610 Euro für die Miete weg. Nach Abzug der laufenden Kosten wie Strom und Telefon blieben ihr gerade noch 270 Euro übrig, sagt sie. Für Essen, Trinken, Kleidung und Freizeit. "Zum Anziehen habe ich mir schon seit drei oder vier Jahren nichts mehr gekauft", erzählt Leonore Meul. Beim Einkaufen nimmt sie nur die günstigsten Lebensmittel, wie Grieß, aus dem sie sich Polenta macht. Oder eine Flasche Öl, die dann für einen Monat reichen muss. Manchmal gönne sie sich Käse, aber auch dann nimmt sie einen im Angebot, genauso ist es bei Obst oder Gemüse. Kaffee ist ihr zu teuer, sie trinkt nur Tee. "Ich kaufe nur Sachen, die billig sind", sagt sie. Dennoch spüre sie die zuletzt gestiegenen Preise sehr deutlich. Zum Bäcker gehe sie schon lange nicht mehr, sie backt ihr Brot selber. "Ich muss ja irgendwie klarkommen. Aber einfach ist es nicht."

Was sie mit ihrem Tag anfängt? Die Rentnerin überlegt kurz, dann sagt sie: "Ich häkle gerne und ich gehe spazieren." Geld für andere Freizeitaktivitäten, einen Café-Besuch oder einen Kinoabend, hat sie nicht. Viele Kontakte auch nicht, manchmal fühle sie sich einsam, sagt sie. Ein Lichtblick ist ihre Tochter, die in München lebt, die besucht sie manchmal und hilft ihr ein bisschen. Denn ihre Tochter ist an Krebs erkrankt. Sie habe viele Wünsche, sagt die Seniorin, ihr größter wäre ein Urlaub. "Aber das kann ich vergessen, das ist alles viel zu teuer."

Einsamkeit sei oft eine Folge von Altersarmut, sagt Edith Wesel, Teamleiterin "Leben im Alter" der Caritas Freising. Kein Geld zu haben, isoliere, eine gesellschaftliche Teilhabe sei nicht möglich. Auch in die soziale Beratung der Caritas Freising kommen immer mehr alte Menschen in einer prekären finanziellen Situation. "Oftmals haben sie vordergründig einen anderen Grund, beispielsweise Pflegeleistungen - und wir erfahren dann erst im Gespräch, dass es sich eigentlich um einen Fall von Altersarmut handelt", sagt Wesel.

Gerade Frauen sind von Altersarmut betroffen

Sie ist sich sicher, dass die Dunkelziffer gerade bei diesem Thema sehr hoch ist, dass es eigentlich viel mehr Seniorinnen und Senioren gibt, die Anspruch auf Unterstützung haben - diese aber nicht in Anspruch nehmen. "Aus Scham. Die Hürde, sich Hilfe zu suchen, ist gerade bei den alten Menschen sehr hoch. Viele meinen, das selber schaffen zu müssen", erklärt Wesel. Lieber werde dann eisern gespart und auf vieles verzichtet.

Gerade Frauen seien es, die von Altersarmut betroffen sind. Denn viele hatten wegen der Care-Arbeit, der Kindererziehung und später der Pflege von Angehörigen, die nach wie vor überwiegend von Frauen geleistet wird, oftmals nur Teilzeit gearbeitet - und eine entsprechend geringe Rente. Viel Geld zum Leben bleibe nicht. Die inflationsbedingten hohen Energiekosten und Lebensmittelpreise, und die im Landkreis sehr hohen Mieten seien für viele Seniorinnen - aber auch Senioren - ohne finanzielle Unterstützung oftmals nicht mehr zu stemmen, sagt Wesel.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kinderbetreuung in Freising
:"Uns ist die Hutschnur geplatzt"

Eine Gruppe Freisinger Eltern hat auf der Online-Plattform Change.org eine Petition gestartet, um auf ihre Notlage in der aktuellen Kitakrise hinzuweisen. Am Donnerstag soll sie bei einer Demo auf dem Marienplatz Freisings OB Eschenbacher offiziell übergeben werden.

Von Birgit Goormann-Prugger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: