Abibälle:Ganz großer Auftritt

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Die Abiturientenbälle werden zum gesellschaftlichen Ereignis: Stolze Eltern fotografieren den Nachwuchs beim Tanz.

Alexandra Vettori

Was ist nicht alles gesagt und geschrieben worden, über den letzten Jahrgang des neunstufigen Gymnasiums G 9 in Bayern. Erst hieß es, ihm werde das Abitur nachgetragen, weil Sitzenbleiber ins G 8 gerutscht wären. Dann bemitleidete man die G9-ler wegen des Konkurrenzdrucks um Arbeits- und Studienplätze. 70.000 bayerische Abiturienten gibt es in diesem Jahr, im vergangenen waren es 36.400.

Spalier stehen für die Absolvia 2011: So festlich wie hier beim Abiturball des Freisinger Camerloher-Gymnasiums ist es am Freitagabend auch an den anderen Gymnasien zugegangen. (Foto: Marco Einfeldt)

Um den Ansturm des doppelten Abiturjahrgangs zu bewältigen, starten die Unis für die G 9-ler im Sommersemester, kaum drei Wochen nach der letzten Abiturprüfung. Nicht wenige würden das Angebot annehmen, hieß es, solch Konkurrenz produziere eben angepasste Leistungsträger. Tatsächlich sind es gerade mal zehn Prozent, die gleich an die Unis gehen. Die 250 Absolventen der drei Freisinger Gymnasien haben am vergangenen Wochenende auf jeden Fall eines bewiesen: Sie verstehen zu feiern.

Ein roter Teppich wies den Weg zur festlich geschmückten Aula des Dom Gymnasiums, dort, wo die 57 Abiturientinnen und Abiturienten dieses Jahrgangs ihren großen Auftritt beim Abiturball 2011 hatten. Großer Auftritt, das ist nicht übertrieben. Fast ausnahmslos schwelgten die jungen Damen in bodenlangen Roben, duftig wallend, so wie man es aus den Fernsehshows kennt. Sorgsam aufgesteckte Lockenfrisuren waren zu bestaunen und junge Männer in Anzug und Krawatte.

Es ist längst nicht nur am ehrwürdigen Dom Gymnasium Tradition, den Abiball gleichsam als Debütantenball zu zelebrieren. So war es auch am Freitag einer der Höhepunkte des Abends, als sich die Absolvia zum großen Einlauf mit Radetzky-Marsch und anschließendem Walzer aufstellte, ein bisschen linkisch der eine oder die andere, die meisten aber mit Anmut. Und während sich der erfolgreiche Nachwuchs in all seiner Pracht präsentierte, umringten stolze Eltern mit Fotoapparaten die Tanzfläche. Eine von ihnen war Susanne Bödigheimer. "Es ist ein tolles Gefühl", sagte sie mit Blick auf ihre Tochter, "ich bin so stolz auf sie, zumal sie auch noch ein sehr gutes Abitur geschrieben hat." Melancholie? Nein, die verspüre sie jetzt nicht. "Jetzt ist da nur Freude und Stolz. Die Melancholie kommt wohl erst dann, wenn sie zum Studieren weggeht."

Roter Teppich, Blümchen und Kerzen auf den Tischen, Tanzband, Reden, Catering, nichts hatte der Arbeitskreis Abiball dem Zufall überlassen. Und damit der Service stimmte, hatte man die Zwölfklässler als Servierkräfte gewonnen. "Wir bekommen auch ein bisschen Geld dafür und wir sehen, wie die es machen, denn in ein paar Wochen sind wir dran", erklärte eine von ihnen und balancierte geschickt ein Tablett mit Gläsern durch die Tischreihen.

Eine andere stand mit kritischem Blick an der Tür und sagte grinsend: "Klar ist ein Kleid beim Abiball angemessen, aber ich sehe hier schon einige recht rumwackeln auf ihren hohen Schuhen, man sollte es schon können."Eine halbe Stunde später und paar Kilometer weiter bot sich in der Luitpoldhalle das gleiche Bild.

Hier feierte die Absolvia des Camerloher Gymnasiums, noch in Ermangelung der lange geplanten Schulaula. Der rote Teppich fehlte, dafür schmückten Rosenblätter Eingang und Tische. Gedämpftes Licht herrschte in der mit aufgekratzten Menschen gesteckt vollen Halle. Hatten die Mädels auf ihrem Abitur T-Shirt noch "Abitch - für einen Punkt tu ich alles", stehen so verwandelten sie sich für diesen Abend allesamt in Prinzessinnen. Hier, bei der musischen Camerloher-Absolvia, geriet der Aufmarsch fast noch kunstvoller als bei den Kollegen auf dem Domberg. Sie haben geübt, die rund 100 Tänzerinnen und Tänzer, anders wäre der kunstvolle Reigen nicht machbar gewesen.

Angepasste Leistungsträger mit Hang zum Spießertum? Abiturient Moritz Felsen zuckt da nur die Schultern: "Spießig? Das stehen wird drüber, wir nehmen das alles nicht so ernst." Und das mit den reinen Leistungsträgern stimmt auch nicht so recht. Die beste Abiturientin des Camerloher, Durchschnitt 1,1, sagte, sie wolle jetzt erst mal in den Tag hineinleben und im Herbst Philosophie studieren. Der beste Hofmiller-Absolvent fährt mit dem Rucksack nach Indien. In der Aula des Hofmiller Gymnasiums schließlich, wo am Freitag erst die feierliche Verteilung der Zeugnisse stattfand, der am Samstag der Ball folgte, rückt Einser-Abiturient Benedikt Saller ein weiteres G9-Vorurteil gerade: "Das Abitur war absolut nicht leicht, geschenkt haben sie uns nichts."

© SZ vom 09.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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