17. Klima-Mahnwache in der Freisinger Innenstadt:Plädoyer für Postwachstum

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Norbert Bürger und Christian Schantz (links) haben am vergangenen Freitag die 17. Klimamahnwache in Freising musikalisch begleitet. (Foto: Marco Einfeldt)

An die 70 Bürgerinnen und Bürger interessieren sich für Ernährungsräte und andere Ideen aus dem Bayernplan

Von Laura Dahmer, Freising

Ein heißer Freitagabend in der Freisinger Innenstadt, das Kopfsteinpflaster glüht. Trotz der Hitze haben sich an die 70 Menschen zusammengefunden, sie tragen Masken und halten Abstand. Die meisten von ihnen muss Ernst Hörmann dann auch noch auffordern, den schattigen Platz an den Häuserfassaden aufzugeben. "Auch von den vorbeikommenden Passanten müssen wir 1,5 Meter Abstand halten, sonst bekommen wir Ärger", erklärt er durchs Mikrofon. Es ist die mittlerweile 17. Mahnwache, die der Trägerkreis "Mahnwache Klimagerechtigkeit" in der Freisinger Innenstadt veranstaltet. Diesmal ist das Thema: Postwachstum.

Florian Hörmann, Professor für Produktionstechnik an der Hochschule Augsburg, ist gekommen, um dazu einen Vortrag zu halten. "Unsere Wirtschaft ist wachstumsorientiert und neoliberal geprägt", beginnt er seinen Vortrag. "Das sieht man wieder in der aktuellen Pandemie: Wir pumpen gerade Milliarden Euro in die Wirtschaft, um sie zu retten - und damit sie weiter wachsen kann." Der Gedanke des Postwachstums ist dagegen, das ewige Wirtschaftswachstum zu bremsen. "Nur so kommen wir irgendwann zu einer globalen sozialen Gerechtigkeit, die innerhalb unserer planetaren Grenzen funktioniert", erklärt Hörmann und veranschaulicht es seinen Zuhörern durch einen Abriss der Menschheitsgeschichte: "Wir haben damit angefangen, unsere Häuser mit Holz zu heizen. Als die Ressource knapp wurde und die Wälder karger, haben wir Kohle und Erdöl entdeckt", sagt er. "Und haben gemerkt: Das funktioniert viel besser, damit können wir noch viel mehr verbrauchen. Als wir bemerkt haben, dass Kohle und Öl knapper werden und die Umwelt leidet, sind wir auf Kernkraft umgestiegen. Und haben gemerkt: Das funktioniert viel besser, damit können wir noch viel mehr verbrauchen."

Nach Tschernobyl sei dann die Kernkraft in Verruf geraten, und die Menschheit habe sich den regenerativen Energien zugewendet. "Aber auch hier zeichnet sich ab: Wenn wir zu viel Energie verbrauchen, wird das irgendwann zum Problem", so Hörmann. Man müsse das Thema viel eher an der Wurzel packen und klimaschädliches Verhalten reduzieren. Der Professor stellt die Kriterien für eine solche postwachstumsorientierte Wirtschaft vor: Effizienz, Konsistenz, Subsistenz und Suffizienz. Und er führt aus, was sich laut dem "Bayernplan - Wir transformieren Bayern" in der eigenen Kommune umsetzen lässt. Florian Hörmann ist Erstunterzeichner dieses Bayernplans, der vom Bund Bayern, der "Fridays for Future"-Ortsgruppe Nürnberg, der Jesuitenmission und dem Landeskomitee der Katholiken in Bayern ins Leben gerufen wurde.

Eine Idee, die dort beschrieben wird, sind sogenannte Ernährungsräte. "Ein Gremium aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, das ausarbeitet, wie sich Projekte wie die Solidarische Landwirtschaft unterstützen lassen, die Streuobstwiesen im Landkreis veranlassen und Verkaufsmöglichkeiten für regional angebaute Produkte schaffen", so Hörmann. "Und die ein Foodsharing im großen Stil organisieren."

Ein weiterer Punkt des "Bayernplans" ist der öffentliche Nahverkehr. Hier denkt das Bündnis an Sharing-Konzepte und den Ausbau von Fahrradwegen. Als Hörmann hinzufügt, dass diese im Winter dann natürlich auch zuerst gestreut und freigeräumt werden sollten, "weil die Autos das auch so schaffen", klatscht die Menge. Passenderweise klingelt gerade die Klingel eines vorbeikommenden Fahrrads.

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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