Amin Mohammed
Die Nacht ist kalt geworden am Münchner Hauptbahnhof. Es ist 23 Uhr und noch immer kommen Flüchtlinge an, unter ihnen viele Kinder. Müde gehen sie über die Stufe aus der Ankunftshalle nach unten zum Gesundheitscheck. Ein Helfer trägt eine Babytasche, darin ein zwei Monate altes Baby. "Mein Kind", sagt Amin Mohammed stolz. Er ist mit seiner Frau und dem Baby aus "Syria" geflüchtet, 30 Tage lang, durch die Türkei, Griechenland, Mazedonien und weiter nach Ungarn. Sieben Tage mussten sie mit dem Neugeborenen in Budapest aushalten, "es war schrecklich", sagt er. Seine erste Frau sei im Krieg gestorben, er musste drei Kinder in Damaskus zurücklassen. "I love Germany", sagt er dann. Und er habe sogar Vorfahren hier, Verwandtschaft von vor etwa 300 Jahren. Er ist Kaufmann von Beruf, er will hier lernen und arbeiten, um seinen Kindern ein bessere Zukunft zu bieten.
Pashtoon Kakar
Kurz vor Mitternacht steht der Bus vor dem Hauptbahnhof zur Abfahrt bereit. Die Flüchtlinge warten geduldig, bis es losgeht. Pashtoon Kakar sitzt mit ihren zwei erwachsenen Söhnen und einer Tochter im Bus, müde, gerädert. Trotzdem begrüßt sie die Reporterin mit einem Lächeln, die Umsitzenden rücken sofort zusammen und ein "please, sit down" tönt von allen Seiten. Pashtoon Kakar ist 62 Jahre alt, seit einem Monat ist sie mit ihren Kindern auf der Flucht, ihr Mann ist tot. "Die Regierung war nicht gut mit uns", übersetzt ihr Sohn ins Englische. Sie habe eine schreckliche Nacht in Budapest verbracht, voller Angst, grauenvoll. "Entschuldigung", lässt sie noch verschämt übersetzen, "wir riechen nicht gut". Sie will sich jetzt nur noch waschen, dann schlafen. Wohin der Bus fährt, wissen sie nicht, ob München oder eine andere Stadt. Es ist egal. Sie sind jetzt "sehr glücklich".
Ehab Arndus
Ehab Arndus ist erschöpft. Der junge Mann hat eine weite Reise hinter sich, von Damaskus nach München. Gerade ist er aus dem Zug gestiegen, im Ankunftszentrum mit Essen und Trinken versorgt worden, jetzt geht es zum medizinischen Check. An der Absperrung stehen die Reporter aus aller Welt: Frankreich, England, Tschechien, Japan. Der englische Sender Sky News hat Ehab am Sperrgitter um ein Interview gebeten. Der Syrer spricht ein paar Brocken Englisch. Ein Reporter hält ihm ein Mikrofon vor den Mund und fragt: "Where do you come from?" Ehab Arndus: "Syria". Wie lang er unterwegs war? Der junge Mann schaut verstört, der Reporter versucht die Frage zu umschreiben, schließlich kommt es: "30 Tage". Der Kameramann verdreht die Augen. Ehab Arndus soll jetzt bitte alles nochmal wiederholen, in ganzen Sätzen und etwas flüssiger. Er schaut verstört aus.
Orman
Orman sieht erstaunlich frisch aus, obwohl der junge Mann unglaubliche Strapazen hinter sich hat. Orman steckte nach seiner wochenlangen Flucht aus Syrien wie so viele tausend Andere tagelang in Budapest fest, wohin sie unter abenteuerlichen Umständen gekommen sind. "Unter dem Zaun durch" seien er und sein Bruder geklettert, sagt er. Die rasiermesserscharfen Klingen an dem Stacheldrahtzaun haben den beiden offenbar nichts anhaben können. Am vergangenen Freitag machten sich die beiden jungen Syrer dann zu Fuß auf den Weg nach Westen - mit dem Marsch der Migranten auf der Autobahn. Jetzt steht Orman lachend am Bahnhofsvorplatz, bittet Münchner darum, dass sie ihn und seinen Bruder mit dem Handy fotografieren. Ein Mann leiht ihm sein Telefon, Orman wählt eine Hamburger Nummer. Dorthin wollen sie unbedingt. "Da lebt unser Bruder Mohammed", sagt er.