Finanzprobleme in München:"Jedes Projekt kommt auf den Prüfstand"

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München mag die Sorgen haben, die andere Städte gern hätten. Trotzdem droht ein harter Sparkurs. Der Kämmerer Wolowicz erwartet für 2010 eine Neuverschuldung von 214 Millionen Euro.

Jan Bielicki

Diesmal war Christian Ude nicht dabei bei der Kanzlerin. Seine Frankfurter OB-Kollegin Petra Roth (CDU) hat als Präsidentin des Deutschen Städtetage ihrer Parteifreundin Angela Merkel noch einmal die Finanzprobleme der Kommunen geschildert - allerdings nicht in erster Linie am Beispiel München. "Wir sind noch mit am besten weggekommen", erklärt der Münchner Oberbürgermeister, was er in Gesprächen mit seinen Kollegen aus anderen Städten herausgehört hat.

Die kommunalen Kassen sind anderorts "erschreckend" leer, der Absturz der globalen Wirtschaft habe die Finanzkrise der Städte "dramatisch zugespitzt", sorgt sich Ude. Aber auch daheim im reichen München sieht er die städtischen Steuereinnahmen auf ein "ernüchternd niedriges Niveau" geschrumpft.

Es könnte bald noch schlimmer kommen. "Wir sind alarmiert", so beschreibt Hans-Dieter Kaplan die Stimmung unter den Finanzpolitikern der rot-grünen Rathausfraktion. Der stellvertretende Chef der Rathaus-SPD sitzt in jenen Krisenrunden dabei, deren Mitglieder sich nun über die von Kämmerer Ernst Wolowicz (SPD) gelieferten Zahlen beugen.

Die verheißen wenig Gutes: Im Januar überwiesen Münchens Unternehmen so wenig Gewerbesteuer, dass die Kämmerei für 2010 nur noch mit knapp über einer Milliarde Euro aus dieser wichtigsten Einnahmequelle der Stadt kalkuliert.

Das sind gut 300 Millionen Euro weniger, als im Budget angenommen. Darin hatte Wolowicz noch damit gerechnet, auch 2010 wenigstens jene 1,35 Milliarden Euro zu erreichen, die ihm die Gewerbesteuer 2009 eingebracht hatte. Im Boomjahr 2007 waren es noch 1,9 Milliarden Euro gewesen.

Zunächst werden die Münchner von der Haushaltskrise ihrer Stadt jedoch noch wenig merken. "Noch haben wir etwas Luft", sagt der SPD-Finanzpolitiker Kaplan.

Die Stadt hat in den guten Jahren 2006 bis 2008 mehr als eine Milliarde Euro ihrer Schulden abgebaut und kann es sich noch leisten, neue Kredite aufzunehmen, was Wolowicz auch tut: Eine Nettoneuverschuldung von 214 Millionen Euro hat er für dieses Jahr eingeplant, befürchtet aber, dass es auch mehr werden könnten.

Was aber 2011 passiert, unkt Wolowicz, "ist reine Kaffeesatzleserei." Er selbst erkennt wenig Positives beim Blick in die Kaffeetasse: eine steigende Arbeitslosigkeit, die den städtischen Sozialhaushalt belastet; und nicht unbedingt einen baldigen Wirtschaftsaufschwung, der wieder kräftig Steuern in die Stadtkassen spült. Auch für eine reiche Stadt wie München, warnt der Kämmerer, könne "die Grenze finanzieller Belastbarkeit bald erreicht sein".

Man wolle daher "möglichst wenig neue Schulden machen", umschreibt der grüne Fraktionschef Siegfried Benker, was für Rot-Grün jetzt ansteht: sparen. An den städtischen Steuern und Gebühren wollen weder SPD noch Grüne drehen. "Das ist ausgereizt", glaubt Kaplan.

Der SPD-Mann hält auch "sehr wenig" von einem Vorschlag, Hoteliers und Touristen eine kommunale Kulturtaxe aufzubrummen. Bleiben die städtischen Investitionen: Wolowicz will dem Rat vorschlagen, die Summe dessen, was die Stadt für ihre Infrastruktur ausgibt, von derzeit rund 800 auf "600 bis 650 Millionen Euro" zu begrenzen.

"Jedes Projekt muss auf den Prüfstand", fordert Wolowicz. Jedes? Der Kämmerer gesteht Ausnahmen zu: Begonnene Arbeiten wie die Sanierung des Deutschen Theaters sollen beendet werden. Und am Aus- und Neubau von Krippen, Kindergärten und Horten werde Rot-Grün festhalten, versprechen Wolowicz, Kaplan und Benker unisono.

Auf - kaum absehbare - bessere Zeiten wird aber wohl die Sanierung des Gasteig geschoben. Eine akustische Aufrüstung der Philharmonie für die feinen Ohren einer Minderheit von unzufriedenen Konzertbesuchern sei "finanziell schon gar nicht darstellbar", sagt Wolowicz.

Doch während sich Rot und Grün am Gasteig bei ihrem Nein einig sind, weisen sie sonst mit Vorliebe auf die Lieblingsprojekte des jeweils anderen Koalitionspartners, wenn es ans Strecken und Streichen geht: Die Grünen würden gerne ehrgeizige Pläne für den Ausbau des Föhringer Rings und andere Straßenbauprojekte wie den Durchbruch der Stäblistraße oder die Südanbindung Perlachs in der Schublade verschwinden lassen.

Die SPD dagegen hält eine von den Grünen geforderte Fußgängerbrücke über die Isar für durchaus verzichtbar. Es ist aber gut denkbar, dass die meisten oder gar alle dieser Pläne vorerst auf Eis gelegt werden - wenn sich die Kassenlage weiter verschlechtern sollte.

Allein: So viel sparen, wie sie müsste, um schwarze Zahlen zu schreiben, könne die Stadt ohnehin nicht, meint der Kämmerer. Schuld an der kommunalen Finanzmisere ist für ihn vor allem die Steuersenkungspolitik des Bundes - und den Bund sieht er in der Pflicht: "Die Städte können sich nicht am eigenen Schopf aus dem Schuldenloch ziehen."

Auch sein Chef Ude sieht die größte Bedrohung für Münchens Kassen aus Berlin kommen - und zwar ausgerechnet aus einer Kommission der Bundesregierung, die sich darum kümmern soll, dass es den Gemeinden künftig besser geht. Sollte diese nämlich Hand an die Gewerbesteuer legen, wäre das nicht nur ein "Wortbruch" der Kanzlerin, sondern "der Sargnagel für die kommunale Selbstverwaltung".

© SZ vom 16.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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