Finanzkrise trifft München:"Wir bleiben nicht verschont"

Lesezeit: 3 min

Stadtkämmerer befürchtet 2009 massive Steuerausfälle und kündigt einen Sparhaushalt an. Trotzdem will die Stadt investieren - beispielsweise für den Bau der Trambahn in die Parkstadt Schwabing.

Jan Bielicki

Die Stadtspitze rechnet mit einem drastischen Rückgang der städtischen Steuereinnahmen als Folge der Weltwirtschaftskrise. "Es geht um einige hundert Millionen Euro weniger", erklärte Kämmerer Ernst Wolowicz (SPD), als er dem Stadtrat den Haushaltsentwurf 2009 vorstellte. Wolowicz kündigte ein Sparprogramm und eine Einschränkung der Entschuldung an.

Mehr als drei Milliarden Euro will die Stadt trotz Wirtschaftskrise bis 2012 investieren - beispielsweise für den Bau der Trambahn in die Parkstadt Schwabing. (Foto: Foto: oh)

Wie dramatisch die Lage auf den Finanzmärkten ist, machte ein Zwischenstand deutlich, den der Kämmerer vermeldete. In der knappen Stunde, die Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) am Mittwoch für seine Haushaltsrede brauchte, "ist der Dax um mehr als acht Prozent gefallen", verkündete Wolowicz. Während sich der Aktienindex nach dem weltweiten Eingreifen der Notenbanken wieder etwas erholte, zeichnete der Kämmerer ein "leider sehr düsteres" Bild von einer Wirtschaftskrise, die "durchaus mit der des Jahres 1929 zu vergleichen ist". Auch Ude sprach von der Finanzkrise als einer "ernsthaften Bedrohung", ja von einer "Zeitenwende", bei der "wir nicht ungeschoren davon kommen werden".

"Neoliberale Hofsänger"

Wie sich die Krise auf München auswirken wird, "darauf kann ich keine halbwegs präzise und verlässliche Auskunft geben", erklärte der OB den Stadträten. "Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht." Angesichts einer solchen Krise bewege sich der Stadthaushalt auf schwankendem Boden. Ein verlässliches Zahlenwerk "kann nicht, es muss aber gesetzlich vorgelegt werden", relativierte Ude den Aussagewert des städtischen Haushaltsentwurfs.

Für den Kämmerer ist "jetzt schon sicher", dass er die Prognosen für die Einnahmenseite seines Haushalts für das Jahr 2009 wohl "sehr weit nach unten revidieren" muss. Noch beruhen die Haushaltszahlungen auf den Steuerschätzungen, die Experten des Bundes im Frühjahr aufgestellt haben. Doch dass München tatsächlich knapp 1,8 Milliarden Euro aus der Gewerbesteuer bekommt, wie noch im Budgetentwurf ausgeführt, hält Wolowicz für ausgeschlossen.

Kein Klingeln mehr in Münchens Kassen

Es "wäre ein Wunder", wenn Banken und Versicherungen, die derzeit ein Viertel der Münchner Gewerbesteuern zahlen, ihre Gewinne auf der Höhe der vergangenen Jahre halten könnten. Das Gleiche gelte für jene stark auf den Export orientierten Unternehmen, die bisher Münchens Kassen klingeln ließen. Wolowicz rechnet nicht nur damit, dass die Steuervorauszahlungen dieser Unternehmen kleiner werden, die Stadt werde 2009 wohl sogar zu viel vorausgezahlte Steuer zurücküberweisen müssen.

Gleichzeitig könnten wegen steigender Arbeitslosigkeit höhere Sozialausgaben auf die Kämmerei zukommen. Während die Stadt in diesem Jahr wohl noch wie geplant 305 Millionen Euro ihrer Schulden abbauen kann, wird sie ihr Ziel, weitere 250 Millionen Euro zu tilgen, wohl kaum erreichen. An den bis 2012 geplanten Investitionen der Stadt in Höhe von 3,1 Milliarden Euro, wollen Ude und Wolowicz trotz der Krise jedoch festhalten.

Heftige Kritik übte Ude an "überbezahlten Bankvorständen, die gleichzeitig Millionen behalten und Milliarden vom Steuerzahler fordern". "Marktradikale Wirtschaftskapitäne und ihre neoliberalen Hofsänger", die "der Entfesselung der Marktkräfte das Wort reden und die Börsengesetze als oberste Richtschnur der menschlichen Gesellschaft vergöttern", seien die "geistigen Väter der Krise". Eine "radikal-neoliberale Heilslehre" habe in den letzten Jahren die deutsche Wirtschaftspolitik "infiziert" und den Staat verteufelt, kritisierte der Kämmerer. München habe dagegen "gegen den Trend des Zeitgeistes mutige Politik" gemacht, seine kommunalen Unternehmen "nicht verscherbelt" und sich auch nicht am Wettbewerb "Wer verspricht den höchsten Steuerabbau" beteiligt. Wolowicz lehnte daher eine Senkung von Gewerbesteuer oder Grundsteuer ab. Ebenso deutlich schloss Ude einen Verkauf städtischer Unternehmen oder Wohnungen aus: "Dieser Weg kommt für München nicht in Frage."

Gesunde Sparkasse

Dagegen kritisierte FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann, die Stadt habe die Gelegenheit verpasst, ihre Betriebe gewinnbringend zu verkaufen und sich für eine Abschaffung der Gewerbesteuer stark zu machen. Diese Steuer werde jetzt im Abschwung "viele Betriebe in den Ruin treiben", so Hoffmann, als Koreferent der Kämmerei Hauptredner der Opposition. "Hohe Professionalität" attestierte Hoffmann dagegen jenen Fachleuten der Kämmerei, die die städtische Geldanlagen verwalten.

Diese waren ins Gerede gekommen, weil die Stadt vier Millionen Euro in Anleihen der pleite gegangenen US-Bank Lehman Brothers gehalten hatte - und wahrscheinlich verliert. Allerdings hält sich der Verlust in Grenzen: Insgesamt hat die Stadt rund 2,4Milliarden bei 33 Banken angelegt und erwartet daraus 2008 rund 80 Millionen Euro Gewinn.

Nur einer der Redner hatte wirklich etwas Positives zu berichten: Die Stadtsparkasse habe "keine Abschreibungen und keine Verluste", erklärte deren ins Rathaus gerufener Chef Harald Strötgen: "Wir sind gesund."

© SZ vom 09.10.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: