Finanzielle Lage der Stadt:München lebt über seine Verhältnisse

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  • In München fließen die Steuereinnahmen üppig wie nie, doch die Stadt gibt deutlich mehr aus als sie einnimmt.
  • Kämmerer Ernst Wolowicz warnt: Wenn das restliche Polster aufgebraucht ist, helfe nur Sparen - oder Schuldenmachen.
  • Sparen wird allerdings schwierig. München wächst und von allem braucht es mehr, auch bessere Verkehrswege, ausgebaute Straßen und neue Tunnel.

Von Dominik Hutter, München

Wollte man Münchens Finanzsituation in einem Ölgemälde darstellen, wäre wohl im Vordergrund eine herrliche Metropole im Sonnenlicht zu sehen, mit ganz vielen Baukränen und strahlenden, investitionsfreudigen Politikern. Nur wer genau hinsieht, könnte eine dunkle Wolkenwand im Hintergrund bemerken, die womöglich einen Hagelsturm bringt, der alles zerstören könnte - der mahnende Finger von Kämmerer Ernst Wolowicz deutet darauf. "Das geht auf Dauer nicht gut", sagt der Finanzchef der Stadt - und er spricht nicht auf dem Bild, sondern in der realen Welt. Gerade in vermeintlich guten Zeiten habe die Politik oft das Gefühl, sich alles leisten zu können.

Das könnte sich rächen. Wolowiczs am Mittwoch vorgestellte Zahlen sind eindeutig: München gibt zu viel Geld aus, deutlich mehr als es einnimmt. Obwohl sich die Steuereinnahmen auf Rekordniveau befinden, klafft in der Bilanz ein dickes Minus, das mit einem Griff in die Reserven ausgeglichen werden muss. 332 Millionen Euro waren es 2015, und im laufenden Jahr dürfte die Lage kaum besser sein. Das warnende Resümee des Kämmerers: "Wir leben liquiditätsmäßig von der Substanz, und die ist endlich." Es handle sich um eine "bedenkliche Entwicklung". Rund eine halbe Milliarde Euro hat die Stadt noch als freiwillige Finanzreserve auf der hohen Kante, als kurzfristig verfügbaren Lückenfüller. Sobald dieses Polster weg ist, hilft nur Sparen - oder Schuldenmachen.

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Schuld an dem Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben sind keineswegs enthemmte Verwaltungsbeamte, die das Geld gedankenlos ausgeben. In der "laufenden Verwaltungstätigkeit", gemeint ist die Alltagsarbeit in den Referaten, entstehen schon seit vielen Jahren Überschüsse, 843 Millionen Euro waren es 2015. Das aber reicht inzwischen nicht aus, um die sprunghaft teurer gewordenen Investitionen zu finanzieren. 1,4 Milliarden Euro hat die Stadt 2015 in ihre Zukunft investiert, überwiegend für den Kauf von Grundstücken, den Wohnungsbau sowie Schulen und Kindertagesstätten. Das sind stolze 73 Prozent mehr als 2014, da waren es "nur" 816 Millionen.

Wolowicz hat keinen Zweifel, dass diese Größenordnung bestehen bleibt. "Der Investitionsbedarf ist gewaltig." Auch im Nachtragshaushalt 2016, der im Herbst in den Stadtrat kommt, sei deutlich über eine Milliarde Euro für neue Projekte eingeplant. Neue Wohnungen, neue Schulen, neue Kindertagesstätten - im Schnitt ziehen jedes Jahr 25 000 Menschen neu in die Stadt. Allein für das mehrjährige Förderprogramm "Wohnen in München VI" werden 870 Millionen Euro benötigt. Die Mindererlöse beim verbilligten Verkauf von Grundstücken sind dabei noch gar nicht eingerechnet.

Der Einwohnerzuwachs, warnt Wolowicz, belastet aber zunehmend den Verwaltungshaushalt. Immer mehr Münchner benötigen immer mehr Verwaltungspersonal in weiteren Büros samt Computerausstattung und Mobiliar. Wenn aber das Geld schon in guten Zeiten nicht für alle Wünsche des Rathauses ausreicht, wie sieht es dann in Krisenzeiten aus? "Wir bewegen uns auf dünnem Eis", sagt Wolowicz.

Noch verzeichnet München Rekordeinnahmen. 2,45 Milliarden Euro Gewerbesteuer haben die Unternehmen 2015 bezahlt, so viel wie noch nie. Der städtische Anteil an der Einkommensteuer hat erstmals die Marke von einer Milliarde Euro überschritten. Insgesamt konnte die Stadt 2015 mit Steuern, Gebühren und staatlichen Zahlungen fast 6,2 Milliarden Euro einnehmen. "Fakten, Fakten, Fakten" sind das, beteuert Wolowicz. Um hinzuzufügen: Vorhersagen für die Zukunft sind "Spekulation, Spekulation, Spekulation".

Zweimal in diesem Jahrhundert sind die Steuereinnahmen bereits eingebrochen, warnt der Kämmerer. Passiert dies wieder, muss sich München angesichts seiner Ausgaben anstrengen. Immerhin: Von Schulden wird die Stadt nicht erdrückt. Aktuell hat München 773 Millionen Euro an Krediten zu tilgen. Vor elf Jahren waren es noch 3,4 Milliarden.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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