FDP:Liberale Diaspora

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Die FDP ist bundesweit im freien Falll. Auch im Landkreis München sinkt die Zahl der Mitglieder. Trotzdem fühlen sich die Liberalen wohl.

Martin Mühlfenzl

Rochus Kammer und seine Mitstreiter haben sich noch nicht auf die Lauer gelegt, um an der Landkreisgrenze Fahnenflüchtige mit dem Lasso einzufangen und in den Schoß der liberalen Familie zurückzuführen. "Es ist keine Flucht zu erkennen", betont der Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes München Land gelassen. "Wir machen uns auch keine Sorgen. Wenn überhaupt, beunruhigt uns die Situation der Bundespartei."

Bloß weg. Für die Liberalen zu sprechen, ist im Moment kein Vergnügen. (Foto: AFP)

Berlin ist fern - und der Landkreis München doch eigentlich ein Paradies für die zuletzt arg gebeutelten Anhänger der FDP. Mit einem sensationellen Ergebnis von 19,7 Prozent der Zweitstimmen im Wahlkreis München Land überflügelten die Liberalen bei der Bundestagswahl 2009 die SPD. Tobias Thalhammer, Abgeordneter für den Stimmkreis München-Land-Nord, ist seit 2008 jüngstes Mitglied im Plenum des Maximilianeums und als Kreisrat auch das Gesicht seiner Partei im Landkreis. "Wir sind hier traditionell stark, und der Landkreis ist natürlich ein liberales Pflaster", bestätigt dementsprechend Kammer. In 27 der 29 Landkreiskommunen ist die FDP mit einem eigenen Ortsverband oder einem Ableger der größeren Nachbargemeinde vertreten. "Hier schlägt die Bundespolitik nicht so stark durch, da wir mit guten Personen und Inhalten in den Gemeinden gut vernetzt und vertreten sind."

Ein Hieb des Kreisvorsitzenden gegen die Führung in Berlin? Die neuste Statistik aus dem Thomas-Dehler-Haus in Berlin legt nahe, dass die Liberalen im der Hauptstadt fernen Landkreis München mit dem Gesamtbild der FDP nicht zufrieden sind: Binnen einen Jahres - seit dem Wechsel an der Parteispitze von Guido Westerwelle hin zu Philipp Rösler - hat die FDP 5400 Mitglieder verloren. Acht Prozent ihrer Anhänger. "Das beobachten wir. Aber es ist eine Entwicklung, die uns nicht trifft", sagt Kammer.

Doch die Kreis-FDP kann sich dem Sog des negativen Trends der Bundespartei um deren Vorsitzenden Philipp Rösler nicht gänzlich entziehen - gemessen an der hauseigenen Statistik. Insgesamt 283 Anhänger mit Parteibuch gehören der Partei im Raum München Land an. "Treue Mitglieder", sagt Kammer. Zum Zeitpunkt der Bundestagswahl im September 2009 aber hatten die Liberalen noch 320 Mitglieder. Binnen dreier Jahre haben sie einen Anhängerschwund von 11,5 Prozent hinnehmen müssen.

Parallelen zum Einbruch der Mitgliederzahlen, vor allem in ostdeutschen Landesverbänden, will der Kreisvorsitzende indes nicht erkennen: "Das sind normale Schwankungen. Dass der ein oder andere aus Enttäuschung über die Bundespartei ausgetreten ist, kann ich nicht leugnen." Mehrere junge Mitglieder, die sich im Vorfeld der letzten Bundestagswahl der Partei angeschlossen hatten, gehörten den Liberalen mittlerweile nicht mehr an: "Auch das gehört zum politischen Alltag. Junge Menschen binden sich nicht mehr so stark an Parteien."

Dies spiegle - wie auch bei den beiden großen Volksparteien - der Altersdurchschnitt wider. Der aktive Liberale, der ein politisches Mandat inne hat und sich ehrenamtlich in Wahlkämpfen einbringt, befindet sich meist jenseits der Marke von 50 Lebensjahren.

Eine Ausnahme bildet das jüngste Mitglied des bayerischen Landtags, das die Kreis-FDP als ihr Zugpferd versteht. Zwar vermochte der 32-jährige Tobias Thalhammer in seiner längst beendeten Karriere als Schlagersänger junge Wähler wohl nicht zu begeistern, als Abgeordneter gehört er indes zu den auffälligsten Gesichtern seiner Partei. Daher verwundert die Ankündigung des Kreisverbandes, sich in den kommenden Monaten auf den Wahlkampf für die Landtagswahlkampf 2013 konzentrieren zu wollen, nicht. Die Zufriedenheit der Bürger mit der Arbeit der FDP in der schwarz-gelben Landesregierung, bestätigt durch gute Umfragewerte, sowie die Verankerung vor Ort lasse keinen anderen Schluss zu: "Wir haben 2013 auch eine Bundestagswahl. Aber wir werden für den Wiedereinzug in den Landtag kämpfen", betont Kammer. "Dabei zählen für uns nur Sachargumente und keine Parteiengezänk."

So unterstützt die FDP etwa erneut den Putzbrunner Amtsinhaber Edwin Klostermeier (SPD) bei der anstehenden Bürgermeisterwahl - Johanna Rumschöttel durfte sich ebenfalls bei ihrer Wahl zur Bürgermeisterin von Neubiberg und Landrätin der Unterstützung der Liberalen sicher sein. Kooperationen, die in Berlin dieser Tage undenkbar sind. "Aber wir sind hier auch nicht in der Bundeshauptstadt", sagt der Kreisvorsitzende.

© SZ vom 16.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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