Es begab sich...:Heilende Kostbarkeit

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Foto: Alessandra Schellnegger (Foto: Alessandra Schellnegger)

Sabine Bäumler kennt die Kraft und Geschichten der Myrrhe

Von Andrea Schlaier

" Und (sie ) taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe."

Wenn Sabine Bäumler morgens den Laden betritt, hört sie ein Wispern zwischen den bernsteinfarbenen Holzfässern, die sich Regalbrett um Regalbrett bis unter die hohe Decke reihen. Es seien die vielen Geschichten, die ihr Kunden erzählten über die Wirkung der 700 Kräuter, die sich in den Behältnissen vor dem Tageslicht verstecken und so wundersame Namen tragen wie "Bittere Kreuzblume" oder "Teufelskralle". "Sie haben uns geholfen, gesund zu werden", flüstert es Sabine Bäumler im Morgenlicht zu. Die Frau mit dem mahagoni-farbenen Haar hat zwar Sendungsbewusstsein. Aber Esoterikerin ist die 51-Jährige nicht.

Die Diätassistentin führt mit ihrem Mann Dirk eines der ältesten Kräuterhäuser Europas: "D' Original Oberbayrische Kräuter- und Wurzel-Sepp" an der Blumenstraße 15, gegründet 1887. In diesem magisch-nostalgischen Raum zwischen Glasvitrinen voller Tinkturen, Tees und Pülverchen findet sich auch, was bereits im Altertum als Kostbarkeit gehandelt wurde - die Myrrhe, Harz des Myrrhenbaums.

Im Hinterzimmer hat Sabine Bäumler () einen silbernen Kelch mit kandiszuckerartigen Stückchen bereitgestellt. "Wenn ich das anzünden würde, säßen wir in einer Nebelschwade." Die Kräuterfrau, die 1999 mit ihrem Mann den Laden übernommen hat, verscheucht lachend mit der Hand die imaginäre Wolke. Als Räuchermittel sei der goldbraune Stoff zu allen Zeiten verwendet worden, weil er desinfizierend und antibakteriell wirke: "Das ist wieder sehr in, um Häuser reinigend auszuräuchern."

Schon vor 2000 Jahren war die gepresste Myrrhe als Öl gegen Hauterkrankungen und zur Babypflege begehrt. Deswegen hätten die Heiligen Drei Könige sie dem neugeborenen Jesuskind mitgebracht. Vor der Kräuterfrau steht ein Tellerchen mit einem dicken Harzklecks: "Bei Neurodermitis setzt man das als Hautpflege fettem Öl zu." Der edle Stoff, ein Kilo Myrrhe kostet 30 Euro, wird auch zur Zahnfleischpflege oder gegen Entzündungen verwendet. Im alten Rom wurden damit Weinfässer gereinigt, auch die Griechen wüssten ein Retsina-Lied davon zu singen. Uraltes Wissen stapelt sich in diesem Kräutertempelchen. Wer Glück hat, hört es leise zwischen den Holzfässern wispern.

Als Adventskalender erzählt die Stadtviertel- Redaktion bis Weihnachten Münchner Geschichten rund um Schlüsselworte aus den Weihnachtsevangelien nach Lukas und Matthäus. Morgen: Traum.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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