Eröffnung der Touristik-Messe:Zwiefacher zum Krabbensalat

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Bayern präsentiert sich zur Eröffnung des "German Travel Mark" vor 41 Nationen. Drei Tage lang sollen die 1100 Teilnehmer erfahren, warum es bei uns so schön ist und wo am schönsten, nämlich überall.

Stephan Handel

Nein, diese Bayern - jetzt stecken sie ihre Blasmusiker schon in den Frack! Und was die für Zeug spielen. Zum Mitklatschen ist das nichts, und so gibt die japanische Delegation auch ziemlich schnell auf bei dem Versuch, "Unser oide Kath" musikantenstadelig zu begleiten. Ein Missverständnis auf mehreren Ebenen. Denn um beim Zwiefachen mitklatschen zu können, benötigt man selbstverständlich ein speziell bayerisches Rhythmusgefühl.

Auf dem Weg von der Oper in die Residenz konnte Günther Beckstein den Drag-Queens nicht entkommen. (Foto: Foto: Robert Haas)

Und die Musiker auf der Bühne sind auch nicht irgendeine dahergelaufene Blasmusik, sondern heißen "Blechschaden", den ein musikalisches Aushängeschild der Landeshauptstadt zu nennen nicht untertrieben ist - immerhin tun die Musiker sonst Dienst bei den Philharmonikern. Im Kaiserhof der Residenz, in einem durchsichtigen Zelt, kaspert Bob Ross wie eh auf der Bühne herum und lässt sich anscheinend nicht beeindrucken vom wahrscheinlich internationalstem Publikum, vor dem er je musiziert hat.

1100 Gäste aus 41 Nationen - das sind die beeindruckenden Zahlen hinter dieser Veranstaltung. Es ist der Eröffnungsabend des "German Travel Marts", der größten Touristik-Messe für Deutschland: Drei Tage lang sollen die Teilnehmer erfahren, warum es bei uns so schön ist und wo am schönsten, nämlich überall. In der Staatsoper war's gerade noch offiziell, die Gäste erfuhren, dass OB Ude ganz passabel Englisch spricht, Ministerpräsident Beckstein immerhin besser als Erwin Huber, und Ernst Hinsken, der Tourismus-Beauftragte der Bundesregierung gar nicht.

Spektakel der bayerischsten Art

Als sie dann hinausgingen auf den Max-Joseph-Platz, da erwartete sie ein Spektakel der bayerischsten Art: eine Blaskapelle, ein Spalier aus Trachtlern, Stadtwachen, Jagdhornbläsern, fünf Drag-Queens, also Männer, die so tun, als seien sie Frauen, und ausweislich der Presseinformation auch "5 Senioren", weil die ja irgendwie auch typisch sind für München. Der eine oder andere Asiate mag sich gefragt haben, ob das so üblich sei in Bayern, auf Gäste zu schießen. Waren aber nur Böllerschützen.

Dann geht's auf einem Irrweg durch die Residenz, damit gleich mal möglichst viel davon zu sehen ist. Auf dem Weg warten Alphornbläser, eine Danzlmusi, eine Jazzband, Stelzenläufer und immer mal wieder eine Verpflegungsstation mit so typisch bayerischen Gerichten wie Krabbensalat. Im Kaiserhof schließlich, am Ende der Wanderung, vermischt sich's dann im Zelt, und es wird unübersichtlich.

Yoichiro Asai zum Beispiel kommt aus Tokio, hustet vor Lachen erst einmal in sein Weinglas, als er erfährt, dass er interviewt werden soll, und berichtet dann, seine Landsleute seien vor allem an Neuschwanstein und Linderhof interessiert. Auf die Frage, ob er glaube, das sei ein realistischer Blick auf Bayern und ob es denn nicht noch mehr zu erleben gäbe, fällt ihm Bier und das Oktoberfest ein. Da haben Bayerns Touristiker noch eine Menge zu tun.

"Shopping and Hospital" - zwei gute Gründe nach Deutschland zu kommen

Al Mousim aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kann die Interessenslage seiner Kunden ganz genau einschätzen: "Shopping and Hospital." Das Schöne an den arabischen Gästen ist, dass sie immer mit der ganzen Familie einfliegen, was bei königlichen Sippen bedeuten kann: 300 Personen, von denen jede leicht mal 300 Euro pro Tag in der Stadt lässt. Al Mousims Kollege Syed Mahboob aus Abu Dhabi berichtet, dass Araber vor allem das kulinarische Angebot in München zu schätzen wissen, wobei anzunehmen ist, dass der Schweinsbraten dieses Mal wohl nicht gemeint ist.

Bob Ross und seine befrackten Blasmusikanten sind mittlerweile zu "Kalinka" übergegangen, was besonders eine Gruppe Russen vorne rechts erfreut. Vor dem Zelt gibt währenddessen Vidhi Bhargava Auskunft, die den schönen Titel "Principal Correspondent" trägt, was nicht zu tief gegriffen ist, wenn man bedenkt, dass sie in Indien für die Hindustan Times schreibt, welche immerhin jeden Tag eine Auflage von 15 Millionen Stück vorzuweisen hat.

Frau Bhargava beabsichtigt, ihre Leser über die Restaurant-Situation in München und Bayern aufzuklären, und Zeugen berichten, dass sie am Abend zuvor den Küchenchef des Ratskellers an den Tisch bestellt und ihn eingehend in die Mangel genommen habe. Indien sei touristisch schwer im Kommen, erzählt die Chefreporterin, die Oberschicht habe sehr viel Geld, das unter die Leute gebracht werden wolle. Neben München will sie die fränkische Weingegend erkunden und zeigt sich sehr dankbar für die Information, auf dem Würzburger Käppele würden hervorragende Beerenweine ausgeschenkt.

Die Einheimischen wollen von den welfischen Wurzeln nichts hören

Der Abend ist lau, im Zelt unter der durchsichtigen Decke ist es fast ein bisschen stickig, die Raucher stehen draußen und diskutieren, ob das nicht eigentlich ein Bierzelt sei, für das die einschlägigen Ausnahmen gelten sollten. Bob Ross bespaßt währenddessen die Amerikaner in der Menge mit Sousas "Semper fidelis", dem offiziellen Marsch der US-Marines. An den Tischen wird diskutiert und kontaktiert und gegessen und getrunken.

Ein weiterer Gast mit einem schönen Titel ist Mauritz von Reden - er nennt sich "Güterverwalter der deutschen Besitzungen der Welfen". Als solcher ist er nach München gekommen, um darauf hinzuweisen, dass Bayern ja ursprünglich welfisch war: Heinrich der Löwe, Gründer Münchens, gehörte zu dieser Familie. Das wollen die zuhörenden Einheimischen allerdings nicht so gerne hören - mit Ernst August von Hannover verbandelt, das muss nicht sein in einem Land, in dem sogar die Blasmusiker Frack tragen.

© SZ vom 29.04.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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