Erding:Zigarettenschmuggel endet mit Freiheitsstrafe

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Die Verhandlung wegen Steuerhinterziehung und gewerbsmäßigen Schmuggels fand im Sitzungssaal 1 des Amtsgerichts Erding statt. (Foto: Stephan Görlich)

Ein damals 20-Jähriger wird mit 55 Stangen am Flughafen München erwischt. Amtsrichter Lefkaditis sieht professionelle Strukturen und keinen einmaligen jugendlichen Fehler.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

War es eine einmalige jugendliche Dummheit, ein Fehler, wie sein Verteidiger meinte, oder gewerbsmäßiger Schmuggel, als ein zur Tatzeit 20 Jahre und neun Monate alter Angeklagter bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen München mit 10 960 Zigaretten, rund 55 Stangen, im Handgepäck angetroffen wurde? Nach Ende der Beweisaufnahme war sich Amtsrichter Michael Lefkaditis sicher: Letzteres trifft zu.

Dafür spreche, dass auch Behörden in der Schweiz den heute 25-Jährigen schon öfters mit größeren Mengen Zigaretten beim Grenzübertritt erwischt haben. Und auch seine rege Reisetätigkeit zwischen Drittstaaten - häufig die Ukraine - und der EU war für Lefkaditis ein Indiz. Er verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, und den Geldeinzug von 1814 Euro. Was der Höhe der Tabaksteuer entspricht, die hinterzogen wurden.

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Das Urteil selber bekam der Angeklagte gar nicht mit. Er hatte sich vor dem Amtsgericht Erding von seinem Anwalt vertreten lassen. Die Tat ereignete bereits am 15. April 2018, aber es hatte Probleme mit der Zustellung des Strafbefehls gegen den Niederländer gegeben. Gegen die darin auferlegten neun Monate Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung und gewerbsmäßigen Schmuggels hatte der junge Mann, der angab, Student zu sein, Einspruch eingelegt.

Den Transitbereich habe der Angeklagte verlassen, weil er Hunger hatte, so der Anwalt

Am 15. April 2018 war der Angeklagte laut Strafbefehl von Kiew nach Zürich mit dem Flugzeug unterwegs. Mit Zwischenstopp in München. Laut seinem Anwalt habe er nach der Ankunft am Flughafen Hunger gehabt und sich auf die Suche nach was Essbarem begeben. Ungewollt habe er dabei den Transitbereich verlassen. Dabei muss er aber auch eine Passkontrolle passiert haben. Und beim Ausgang den Bereich "Nichts zu verzollen", wie ein als Zeuge geladener Beamter des Hauptzollamtes München sagte. Beim Ausgang hatte der damals 20-Jährige noch keine Probleme, aber weil er nun auf dem Gelände des Flughafens, und damit auf deutschem Boden war, musste er für seinen Flug in die Schweiz wieder durch die Sicherheitsschleuse. Und dort wurde er dann festgehalten.

Für das Zollamt war die Sache klar. Der Angeklagte hatte die Zigaretten nicht vorher angegeben und sich damit der Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Denn hätte er sie angegeben, hätte er Tabaksteuer in Höhe von 1814 Euro zahlen müssen, plus Zollgebühren. Die Zigaretten wurden beschlagnahmt und die Sache der Polizei übergeben.

Beim Angeklagten sei vieles "im Nebel", sagte der Amtsrichter

Den Anwalt störten am Strafbefehl vor allem zwei Dinge: erstens, dass sein Mandant nicht als Heranwachsender bestraft werden soll, und zweitens, dass man von gewerbsmäßigen Schmuggel ausgeht. Er sei in Deutschland noch niemals straffällig geworden und habe die Zigaretten an seine Kommilitonen nur zu den Eigenkosten abgeben oder sogar verschenken wollen. Und so, wie es am Flughafen abgelaufen sei, spreche alles dafür, dass es sich nicht um einen professionellen Schmuggler handle, es sei nur eben eine jugendliche Tat gewesen, unüberlegt.

Amtsrichter Lefkaditis verortete die Tat des Angeklagten indes in den Erwachsenenbereich. Im Alter von 14 bis 17 Jahren gilt man im Strafrecht als Jugendlicher, für den immer Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Zwischen 18 und 21 als Heranwachsender. In dieser Altersgruppe kann entweder noch das Jugendstrafrecht oder schon das Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden, wie Lefkaditis sagte. Und die vielen Reise des Angeklagten in Drittländer, die belegt seien in seinem Pass und immer ohne Begleitung Erwachsener abliefen, zeigten, dass er durchaus schon als Erwachsener die Tat begangen habe. Und es sei bekannt, dass professionelle Schmugglerbanden gerne auch Jugendliche einsetzen. Und ansonsten sei bei ihm "vieles im Nebel", man wisse zum Beispiel nicht, wie er als Student seine vielen Reisen finanziere, sagte Lefkaditis.

An der Grenze zur Schweiz wurde er schon öfter mit Zigaretten erwischt

Nachfragen bei Behörden in der Schweiz, ob der Angeklagte dort an der Grenze schon öfter aufgefallen sei, bestätigten die Vermutung des Hauptzollamtes. Mal sei er am Flughafen Genf bei der Einreise erwischt worden, mal bei der Einreise mit der Bahn und sogar mal in einem Uber-Taxi aus Österreich. Immer mit Mengen zwischen 31 und 103 Stangen. Deshalb seien gegen den jungen Mann auch Strafverfahren eingeleitet worden, teilte die Schweiz mit. Allerdings nicht, wie sie endeten. Aber die Auskunft belegt nach Ansicht des Amtsrichters, dass es sich eben nicht um einen einmaligen jugendlichen Fehler am Flughafen München handelte, sondern um gewerbsmäßigen Schmuggel. Beim Strafmaß schloss sich Lefkaditis der Forderung der Staatsanwältin an und reduzierte wegen der langen Dauer des Verfahrens die Bewährungszeit auf zwei, statt drei Jahre.

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