"Wie man´s macht, ist es verkehrt":Hört die Signale

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Die Dorfener SPD diskutiert die Wahlschlappe und die Zukunft

Von Florian Tempel, Dorfen

Heiner Müller-Ermann zitierte hoffnungsstiftende, wenngleich auch schon ziemlich alte Verse: "Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!" Der Aufruf ist eine Passage aus der Internationalen, der 1871 verfassten Hymne des Sozialismus. Das ist lange her, aber die SPD gab es damals schon. Wann letztmals bei einem SPD-Parteitag die Internationale intoniert wurde, weiß man jedoch nicht mehr. 1969 unter Willy Brandt soll das Lied noch angestimmt worden, unter Helmut Schmidt war wohl Schluss damit. Doch die SPD plagen aktuellere Probleme. Bei der Landtagswahl vor vier Wochen stürzten die Sozialdemokraten in Dorfen auf mickrige sieben Prozent ab. Nun kamen die Genossen zusammen, um darüber zu reden.

Das Treffen des Ortsvereins spiegelte die Lage der SPD sehr gut wider. Neben der Wahlanalyse und Diskussion wurden auch langjährige SPD-Mitglieder geehrt. Das ging gut Hand in Hand. Josef Stöckl erzählte, wie es vor 40 Jahren bei ihm war. Er war in der Gewerkschaft aktiv und "die meisten waren da SPD-Mitglieder oder SPD-Sympathisanten und haben die gleichen Meinung gehabt". Der Parteieintritt war ein logischer Schritt für ihn und Willy Brandt sein Vorbild. Wie es nun wieder bergauf gehen könnte? "Man sollte die Jugend besser ansprechen", sagte Stöckl und resignierte doch gleich wieder. "Es ist ja wie bei der Gewerkschaft, da gibt's auch keine Jungen mehr."

Bei Rainer Zimmer "war es die Familientradition", als er vor 30 Jahren als junger Mensch in die SPD eintrat. Zimmer lebte damals in Hessen. Als er politisch aktiv wurde, sei das eine "sehr interessante Zeit gewesen und man hatte das Gefühl, dass man was bewegen konnte". Aktuell sei er mit der SPD "gar nicht glücklich". Die Führungsspitze um Andrea Nahles arbeite sich am Koalitionsvertrag ab, womit man aber niemanden beeindrucken können. "Das ist Tagesgeschäft, das erwarten die Leute", sagte Zimmer. Ihm fehlten die großen Themen - und charismatischere Leitpersonen.

Ganz ähnlich äußerte sich Bernhard Dircks, der sich die Ehrennadel für 40 Jahre SPD-Mitgliedschaft anstecken durfte. Auch er beklagte ein lähmendes "Kleinklein", statt zwei, drei prägnanter Großthemen. Für das aktuelle Tief sei jedoch vor allem "der Gang in die große Koalition" verantwortlich - "das war ein wahnsinniger Fehler".

Heinz Eder, der seit einem Vierteljahrhundert dabei ist, kritisierte vor allem Parteichefin Nahles und ihre blamable Haltung bei der Personalie Maaßen. Stadt- und Kreisrätin Michaela Meister bestätigte, dass der Fall Maaßen im Vorfeld der Wahl der SPD extrem geschadet hat - "ich bin an den Infoständen und auch sonst sehr viel darauf angesprochen worden." Das Grundübel sei nun massiv, die SPD habe "ein Glaubwürdigkeitsproblem". Simone Jell stimmt ihr zu. Nahles habe "viel Vertrauen verspielt".

Ernst Giller wurde richtig wütend: "Ich bin auf 180." Die Groko müsse in Frage gestellt werden, denn so verbreiteten Nahles und die anderen SPD-Minister den verheerenden Eindruck, sie würden an ihren Posten kleben. Heiner Müller-Ermann sagte, er "glaube weiterhin, dass Rot-Grün das Zukunftsmodell sein soll", empfahl aber "wir müssen bei den Konservativen Stimmen holen". Seppo Schmid hielt das für nicht richtig und sagte, "wir sind eine linke Volkspartei". Das Fazit fand dann schließlich doch Müller-Ermann, auch wenn es gar nicht so hoffnungsvoll war wie die Verse aus der Internationalen: "Wie man's macht, ist's verkehrt."

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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