Warteraum Asyl:Die Stimmung ist am Boden

Lesezeit: 3 min

Sie fühlen sich ausgenutzt und abgespeist: Dabei geht ohne die Soldaten aus ganz Deutschland im Warteraum am Erdinger Fliegerhorst nichts. (Foto: Renate Schmidt)

Die Zahl der Krankmeldungen und Beschwerden der etwa 170 Bundeswehrangehörigen, die in Erding die Vorakten der Asylsuchenden anlegen, nimmt drastisch zu. Auch Führungskräfte schlagen längst Alarm

Von Florian Tempel, Erding

Unter den Soldaten, die bei der Registrierung von Flüchtlingen im Warteraum Asyl eingesetzt werden, macht sich massiver Unmut breit. Die Bundeswehrangehörigen fühlen sich ausgenutzt und abgespeist. Von heute auf morgen hat man ihnen die tägliche Verpflegungspauschale von 25 Euro gestrichen. Außerdem warten sie seit Monaten auf die Auszahlung der Gehaltszulage für Familienheimfahrten, die nun auch noch - entgegen früherer Zusicherungen - versteuert werden soll. "Man kommt sich vor wie ein billiger Leiharbeiter", sagt einer. "Ich bin absolut sauer", klagt ein anderer. Man werde von "Korinthenkackern in irgendwelchen Ämter ganz weit weg" gegängelt, schimpft ein dritter. Die Stimmung ist am Boden.

Das sind keine Einzelstimmen von wenigen Unzufriedenen. Die Zahl der Krankmeldungen und Beschwerden der etwa 170 Bundeswehrangehörigen, die in Erding für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Vorakten der Asylsuchenden anlegen, nimmt drastisch zu. Auch Führungskräfte schlagen längst Alarm. In einem auf den 18. Februar datierten internen Schreiben aus dem Lagezentrum des Bamf, das der SZ vorliegt, beklagt Oberstleutnant Ingo Macher, dass die Streichungen und Kürzungen "gravierende Auswirkungen auf die Motivation der Soldaten" haben werden. Sein "Fazit" schreibt er explizit fett gedruckt: "Die Erfüllung des Auftrags - Unterstützung des Bamf bei der Registrierung von Flüchtlingen - ist gefährdet." Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Oberstleutnant André Wüstner, ist empört. Er habe "volles Verständnis für jeden Soldaten, der sagt, regelt das jetzt, regelt das ordentlich - oder sucht euch einen anderen, den ihr veralbern könnt."

Seit der Eröffnung des Warteraums Asyl am Fliegerhorst sind ständig 170 Bundeswehrangehörige bei der Flüchtlingsregistrierung im Einsatz. Sie kommen aus allen Teilen Deutschlands. Die meisten haben sich freiwillig gemeldet, für drei, sechs oder neun Monate. Sie kamen motiviert, weil sie "den Einsatz sinnvoll" fanden und sich so "selbst ein Bild von der Situation" machen konnten. Untergebracht sind sie in Hotels in Erding oder in München. Die Soldaten sind in vier Schichten zu je etwa 40 Mann eingeteilt. Vier Tage Dienst von 8 bis 20 Uhr, vier Tage frei, dann vier Tage Nachschicht und so weiter.

Manche sind 1000 Kilometer von ihren Familien weg. Um ihnen den Einsatz in Erding schmackhafter zu machen, gab es klare Zusagen. 25 Euro täglich für ein warmes Abendessen nach einer anstrengenden Zwölf-Stunden-Schicht und als Verpflegungsgeld in den freien Tagen. Das hörte sich gut an. Die Soldaten füllten jede Woche ein Formular aus und schickten es zum Bamf nach Nürnberg. Dann passierte lange nichts mehr. "Drei Monate habe ich mich durchtelefoniert und immer wieder nachgefragt", berichtet einer. Erst als in Nürnberg Soldaten für die Abrechnung der Verpflegungspauschalen eingesetzt wurden, kam endlich Geld. Doch kaum war die erste Überweisung auf seinem Konto eingetroffen, erhielten er und seine Kollegen am 22. Februar per E-Mail die Nachricht, dass die 25 Euro-Pauschale gestrichen ist. Ein Beamter im Bundesinnenministerium hatte festgestellt, dass es für sie keine Rechtsgrundlage gab. Sie sei durch den Tagessatz nach "den Regeln der Trennungsgeldverordnung und des Bundesreisekostengesetzes" zu ersetzen, führte der Beamte in seinem Schreiben aus: 7,87 Euro, wobei die 1,67 Euro fürs Frühstück, das es für die Soldaten ja im Hotel gibt, noch abzuziehen wären.

Im Camp am Fliegerhorst müssen die Soldaten seitdem Wertmarken beim Marketender kaufen, im voraus und bar. Mittagessen und Abendessen kosten 3,10 Euro. Und wenn man Freischicht hat? Nach der Logik der Bürokraten könnten die Soldaten auch dann grundsätzlich ins Camp fahren, um dort zu essen. Ansonsten müssen sie schauen, wo und wie sie mit 6,20 Euro in München ein Mittag- und ein Abendessen bekommen.

Gleichzeitig mit der Streichung der 25 Euro Verpflegungsgeld hat der Beamte in Berlin noch etwas festgestellt. Die 200 Euro-Gehaltszulage "sollte eigentlich steuerfrei sein", sagt ein Unteroffizier, das sei ihm und allen anderen so versichert worden. Nun aber muss das Geld doch versteuert werden, und die 200 Euro schrumpfen auf weit weniger zusammen. Bislang habe allerdings eh noch keiner der in Erding eingesetzten Soldaten auch nur einen Cent Zulage auf sein Konto überwiesen bekommen. Dass die Zulagen nicht kommen, "das tut wirklich weh", sagt ein anderer. Wobei: "Es hätte mich gewundert, wenn es glatt gegangen wäre", er sei "schon länger bei dem Verein".

Nebenbei gibt es noch viele weitere nervige Kleinigkeiten. Ein Beispiel: Uniformen kann man kostenlos in die Reinigung geben. Unterwäsche und private Kleidung aber nicht. Einer hatte dennoch einmal eine Jeans dazu getan. Das ist im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz aufgefallen. Dort werden die Wäschereirechnungen, die von Erding zur Begleichung ans Dienstleistungszentrum der Bundeswehr in Köln geschickt worden waren, überprüft. Danach gab es eine harsche E-Mail an alle Erdinger: So was geht gar nicht, Jeans mit Uniformen mischen.

Vor ein paar Wochen war ein Truppenpsychologe im Erdinger Camp. In Gruppen haben die Soldaten bei ihm "mal Dampf abgelassen". Der Truppenpsychologe sei am Ende ziemlich entsetzt gewesen, sagt einer der Soldaten: "Er hat gesagt, er halte es für richtig schlimm, dass er in Erding nicht einmal etwas Positives gehört hat."

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: