Wahlrecht ab 16?:Jugendliche haben Durchblick

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Die Freitagsdemonstrationen für das Klima zeigen es: Junge Leute wollen sich politisch engagieren. Die Idee, das Wahlalter herabzusetzen, findet Anklang, aber nicht bei allen

Von Anna-Lena Klingenstein, Erding

Was in manchen Bundesländern schon lange der Fall ist, sorgt in Bayern für Diskussion: das Wahlrecht ab 16 Jahren. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sprach sich jüngst dafür aus. Er möchte das Mindestalter zumindest bei Kommunalwahlen senken. Bei den Erdinger Jugendorganisationen der Parteien fallen die Meinungen unterschiedlich aus. Befürworter findet der Vorschlag bei der Grünen Jugend und den Jusos, die Jungen Union ist dagegen skeptisch.

Für Christoph Sticha, Sprecher der Grünen Jugend Erding, ist die Absenkung des Wahlalters längst überfällig. Junge Menschen begännen auch schon früh mit Beruf oder Studium. Er verstehe deswegen nicht, "warum Jugendliche von diesem grundlegenden Recht einer Demokratie ausgeschlossen sein sollten". Dass Jugendliche sehr wohl in der Lage seien, "komplexe politische Zusammenhänge zu verstehen und aktiv politisch mitzuwirken," zeige sich in der Fridays-for-Future-Bewegung. Sticha fordert, die politische Teilnahme der Jugendlichen möglichst früh zu fördern. "Gerade mit 16 Jahren, wenn Schülerinnen und Schüler in Sozialkunde gelernt haben, wie unsere Demokratie funktioniert, wie Wahlen ablaufen, wie Gesetzgebungsprozesse funktionieren, sollten sie selbst aktiv daran teilnehmen können."

Es wäre nur "konsequent und logisch", das Wahlalter herunterzusetzen, findet auch der Erdinger Juso-Vorsitzende Leon Kozica. Dass junge Leute leichter zu beeinflussen seien oder dass es ihnen an der Weitsicht fehle, das glaubt er nicht. Im Gegenteil: Die politischen Bewegungen der vergangenen Zeit hätten gezeigt, dass Jugendliche eine eigene Meinung zu politischen Themen besitzen und vertreten. Die Forderung nach mehr Mitspracherecht junger Menschen in der Politik sei für ihn eine Kernaufgabe. "Wenn es darum geht, politische Bildung zu verbessern, sollten wir auch den praktischen Teil nicht vernachlässigen. Und dazu gehört auch die Ausübung der zentralen demokratischen Rechte, wie in diesem Fall das Wahlrecht."

Die Junge Union Erding möchte am Wahlalter von 18 Jahren dagegen festhalten. Dennoch will auch der JU-Kreisvorsitzende Alexander Attensberger das Interesse der Jugend für Politik frühzeitig wecken, wie er sagt. Gelingen soll dies mit mehr tagesaktuellen politischen Themen im Unterricht, um den politischen Diskurs der Schüler zu fördern. Auch er sieht in der Fridays-for-Future-Bewegung ein klares Zeichen: "Politikverdrossenheit" könne den Jugendlichen nicht unterstellt werden.

Die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, sieht das anders. Laut dem Bezirksvorsitzenden der Jungen Alternative Oberbayern, Oskar Lipp aus Ingolstadt, lehnt die Junge Alternative eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ab. Lipp attestiert den Jugendlichen "fehlendes Interesse an der Politik", es fehle des weiteren an demokratischem Grundwissen und am erforderlichen Reifegrad. Mehr politische Bildung an den Schulen hält er ebenfalls nicht für wünschenswert, dies führe zu einer "politischen und gesellschaftlichen Prägung der Kinder und Jugendlichen". Laut Thibault Krause aus Vaterstetten, dem Vorsitzenden der Jungen Liberalen Ebersberg-Erding, könnte eine Absenkung des Wahlalters dagegen helfen, damit junge Menschen von der Politik nicht mehr vernachlässigt und übersehen würden. Auch für ihn spielt die Fridays-for-Future-Bewegung eine Rolle: Man sehe an dieser Entwicklung, "dass Jugendliche durchaus in der Lage sind, sich eine politische Meinung zu bilden", sagt Krause. Für manipulierbarer als andere hält er sie nicht. Im Gegenteil: "In Umfragen sind es oft die älteren Wählerschichten, bei denen populistisch extremistische Parteien höhere Erfolge erzielen."

In Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein hat sich das Wahlrecht ab 16 Jahren auf kommunaler Ebene bereits durchgesetzt. Bis zu den Kommunalwahlen 2020 ist die Herabsetzung des Wahlalters in Bayern laut Piazolo nicht mehr möglich. Aber bis 2026.

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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