Obdachlosigkeit in Erding:Wärmestube in abgespeckter Form

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Ein obdachloser Mann trinkt in einer Wärmestube eine Tasse Kaffee. Wer sich einen Kaffeehausbesuch nicht leisten kann und ein paar Stunden im Warmen verbringen will, kann das von Februar an im Café am Brückerl in den Räumen der Nachbarschaftshilfe tun. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Seit zwei Jahren kämpft die Nachbarschaftshilfe für das Projekt. Die Debatte hat sich an den Personalkosten und der Frage entzündet, ob es ein solches Angebot in Erding überhaupt braucht. Jetzt kommt es doch, wenn auch wesentlich kleiner.

Von Regina Bluhme, Erding

In Erding eröffnet im Februar ein neues Café. Das Café am Brückerl befindet sich in den Räumen der Nachbarschaftshilfe Am Mühlgraben 5 und soll allen Menschen offen stehen, die der Einsamkeit, den beengten Wohnverhältnissen oder der Kälte zumindest für ein paar Stunden entfliehen wollen, die sich aber einen Kaffeehausbesuch nicht leisten können. Eine Wärmestube in abgespeckter Form also. Vereinsvorsitzende und Zweite Bürgermeisterin Petra Bauernfeind (FW), die vor zwei Jahren die Wärmestube angestoßen hat, freut sich, dass das Projekt - wenn auch mit wesentlich geringerem Angebot als ursprünglich geplant - bald starten kann.

"Jetzt fangen wir einfach mal an". Das ist derzeit das Wichtigste für Petra Bauernfeind: Dass es endlich losgeht mit einem Angebot für Menschen, die gerne einmal rauskommen wollen oder jemand zum Ratschen brauchen, für die aber ein Cappuccino oder ein Stück Kuchen inzwischen unerschwinglich ist. Zunächst wird "die etwas andere Wärmestube", so Bauernfeind, nur einmal in der Woche geöffnet sein. Jeden Donnerstagnachmittag gibt es kostenfrei Kaffee, Tee oder Wasser. "Unsere Gäste sollen sich aufwärmen, aber auch ein nettes Gespräch finden können", sagt die Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe. Zeitungen, Zeitschriften und Spiele sind auch im Angebot.

Ursprünglich sollte es auch eine Duschmöglichkeit und Beratung geben

"Für mich persönlich ist das Projekt eine Herzensangelegenheit", betont Bauernfeind. Seit zwei Jahren kämpft sie dafür - ursprünglich für eine groß angelegte Wärmestube am Bahnhof mit Duschmöglichkeit und Beratungsangebot und einer hauptamtlichen Betreuung. Angedacht war dafür ein Raum der Aktionsgruppe Asyl (AGA) im Gebäude der Tafelausgabe am Bahnhof.

Die Einrichtung einer Wärmestube hatte Bauernfeind mit dem Vorschlag verknüpft, dafür eine Mitarbeiterin der Flüchtlingshilfe Erding einzustellen, die eine neue Arbeit gesucht hatte. Den finanziellen Bedarf bezifferte Bauernfeind auf mehrere zehntausend Euro. Das führte in den darauffolgenden Monaten immer wieder zu Debatten um die Personalkosten. Es gab auch Stimmen, die sich grundsätzlich gegen diese Einrichtung aussprachen und fürchteten, man werde dadurch Obdachlose nach Erding locken. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hatte erklärt, er habe mit Fachleuten geredet und die hätten ihm bestätigt, dass es keinen Bedarf für eine Wärmestube gebe.

Ins Café kommen und einfach nur Zeitung lesen, ohne etwas zu bestellen. Das passt

Im November 2021 entschieden die Stadträte dann, dass Erding - wie die anderen Landkreisgemeinden auch - die Caritas finanziell unterstützen werde. Dort gibt es die Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Die Wärmestube war somit so gut wie vom Tisch. Doch nun wird es sie in abgespeckter Form geben. Bauernfeind, die selbst bei der Tafel mit anpackt und sich zuletzt mit vier Bewohnern der Obdachlosenunterkunft an der Wartenberger Straße unterhalten hat, sagt: "Die Not ist groß." Vor allem fehle es an einem Ort, "an dem man nicht schief angeschaut wird", wenn man sich eine Zeitlang einfach nur bei einer Tasse Kaffee aufwärmen oder in Ruhe seine Zeitung lesen will.

Dass hier Bedarf vorhanden ist, hat auch Grünen-Stadträtin Helga Stieglmeier jüngst im Stadtrat betont. Um beispielsweise Senioren und Seniorinnen aus der Isolation zu holen, sollte es einen niederschwelligen Treffpunkt geben. Als möglicher Standort ist das Büro der AWO an der Münchner Straße im Gespräch.

Es fehlt noch einiges, zum Beispiel ein Kaffeeautomat. Spenden sind willkommen

Der Startschuss für das Projekt Café am Brückerl sei durch eine Spende erfolgt, erklärt Bauernfeind. Der Unternehmer Georg Scharl habe das Projekt mit einer Anschubfinanzierung von 5000 Euro unterstützt. "Das hat uns letztendlich ermutigt, das Vorhaben nun anzugehen." Der Verein, der auch weiterhin auf Spenden angewiesen ist, kann das Geld gut brauchen. Für das künftige Café in den Räumen der Nachbarschaftshilfe sind noch einige Anschaffungen nötig. Auf dem Plan stehen ein Geschirrspüler, ein Kaffeeautomat, mehrere Schränke. Auch soll der Nebenraum umgestaltet werden.

Um Personalkosten braucht sich der Stadtrat jetzt nicht mehr streiten - das Café am Brückerl soll ehrenamtlich betreut werden. Die Miete für die Räume Am Mühlgraben bestreitet der Verein aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Mittelfristig ist ein Team aus Ehrenamtlichen geplant, das das Projekt möglichst eigenständig stemmen soll. Bisher haben sich aus dem Verein bereits zehn Mitglieder gemeldet, die gerne beim Café mitmachen wollen. Wer Spaß habe, anderen Menschen "ein bisschen Zeit, Wärme und Streicheleinheiten für die Seele zu schenken", der sei zur Mitarbeit willkommen, betont Petra Bauernfeind.

Für interessierte Helfer und Helferinnen findet im Januar eine Informationsveranstaltung zum Café am Brückerl statt. Wer sich schon einmal vormerken lassen will, kann dies im Büro der Nachbarschaftshilfe Erding tun unter nbh.ed@erding-mail.de oder 0176/51096886.

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