Vor Gericht:Hohe Geldstrafe für Volksverhetzung

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56-Jährige hatte im März 2019 eine Nigerianerin auf übelste Weise rassistisch in einem Dorfener Discounter beleidigt. Alleine die Aussage einer Kassiererin reichte, damit die Angeklagte den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück zog

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Es war das totale Chaos." Daran konnte sich die Zeugin, eine Kassiererin in einem Discounter in Dorfen, noch genau erinnern. Auch daran, mit welchen Worten die 56-jährige Angeklagte eine 39-Jährige aus Nigeria am 29. März 2019 beleidigt hatte. Für die Staatsanwaltschaft erfüllte die rassistische Beleidigung den Straftatbestand der Volksverhetzung, und sie erließ einen Strafbefehl über 120 Tagessätze zu je 40 Euro, gegen den die Angeklagte Einspruch erhoben hatte, womit sich Amtsrichterin Michaela Wawerla mit dem Fall befassen musste.

"Go home!" Das hatte die 56-Jährige der dunkelhäutigen Frau mehrmals zugerufen, ehe sie nach Aussage der Kassiererin, bei der die Angeklagte gerade gestanden hatte, zur anderen Kasse ging, um ihre Forderung noch mit einem Schubser zu unterstreichen. Die Nigerianerin hatte sich das nicht gefallen gelassen und die anschließende Auseinandersetzung brachte ihr eine Anzeige wegen Körperverletzung ein. Das dabei eingeleitete Strafverfahren ist aber mittlerweile abgeschlossen, wie Wawerla sagte, womit die Beleidigte kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr hatte.

Nach der Aussage der 39-Jährigen vor Gericht hatte es zunächst nicht nach einer Verurteilung ausgesehen. Die Frau hatte angegeben, dass sie sich überall bedrängt und bedroht fühle und unter Stress dann Selbstgespräche führe. Auch mitunter sehr laut. Auch an dem besagten Tag gegen 11 Uhr in dem Discounter. Da die Angeklagte wohl ihre Beleidigung auf Deutsch ausgerufen hatte, konnte sie mit Sicherheit nur sagen, dass sie "Go home. Geh heim" gehört habe.

Dafür konnte sich die Kassiererin besser erinnern. Ja, die Frau habe die ganze Zeit gesungen an der anderen Kasse, an der ihre Kollegin saß. Aber das sei nicht ungewöhnlich. Dann sei die Angeklagte, die bei ihr an der Kasse angestanden habe, "explodiert". Ihre rassistische Beleidigung war für alle Personen an den Kassen deutlich zu hören, sagte sie. Da es sich um eine Stoßzeit gehandelt habe, seien alleine an ihrer Kasse fünf bis sechs Kunden gestanden, die darüber diskutiert hätten, dass die Aussagen der Angeklagten "überhaupt nicht gehen" würden. Sie seien regelrecht entsetzt gewesen über die 56-Jährige. Die Angeklagte sei dann zur anderen Kasse gegangen, habe weiter "Go home" gerufen und dies mit einem Schubser gegen die Nigerianerin unterstrichen. Diese habe immer wiederholt "I want to live my life", ich will mein Leben leben" gerufen. Es habe an der Kasse eine "riesigen Tumult" gegeben. Die Angeklagte sei dann mit einem "zufriedenen Gesichtsausdruck" zu ihrer Kasse zurück gekommen, habe ihre Waren eingepackt und habe gezahlt.

Der Staatsanwalt hatte nach der Verlesung der Anklageschrift der 56-Jährigen empfohlen, ihren Einspruch gegen den Strafbefehl zurück zu nehmen. Seiner Meinung nach sei die Sache "relativ klar". 120 Tagessätze sei eine "faire Strafe", eigentlich stehe auf Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Davon wollte die Angeklagte aber nichts wissen und machte weder Angaben zur Sache noch zur Person. Man sehe die Sache anders und wolle sich erst die Zeugen anhören. Nach der Aussage der Kassiererin riet Wawerla der Angeklagten, sich das Angebot der Staatsanwaltschaft "dringend" durch den Kopf gehen zu lassen. Nachdem der Staatsanwalt zudem sagte, dass sein Angebot noch stehe, er aber im Falle der Ablehnung eine deutlich höherer Strafe fordern werde, zog die Angeklagte den Einspruch zurück. Es bleibt bei den 4800 Euro Geldstrafe.

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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