Erdinger Kreisausschuss:Mehr Schutz vor sexuellen Übergriffen

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Hoch her geht es auf vielen Volksfesten. Allerdings soll verhindert werden, dass der Spaß nicht in Belästigungen oder sexuelle Übergriffe entgleist. (Foto: Renate Schmidt)

Gleichstellungsbeauftragte soll auch Volksfestbetreiber und deren Personal stärker für Situationen sensibilisieren, in denen Frauen belästigt werden. Neu ist der Flyer "Hilfe holen bei sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen".

Von Thomas Daller, Erding

Frauen sollen besser vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Das war eines von zahlreichen Themen, die Sabine Trettenbacher, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Erding, im Kreisausschuss vorgestellt hat. Dabei können sich Frauen mit einem bestimmten unverfänglichen Satz, der als Code verwendet wird, an das Personal von Bars, Clubs oder Diskotheken wenden, wenn sie belästigt werden und um Hilfe bitten. Das Projekt soll nun auf Wunsch von Kreisausschuss-Mitgliedern ausgeweitet werden: Auch das Personal von Volksfesten soll dahingehend geschult werden, auf solche Codes zu achten und gegebenenfalls den Frauen Unterstützung bieten.

Der Satz lautet "Ist Luisa hier?". Luisa ist ein bereits vorhandenes Hilfsangebot für Frauen in der Partyszene, die aus einer unangenehmen Situation heraus möchten. Mit der Frage "Ist Luisa hier?" können sich Frauen ans Personal wenden und bekommen unmittelbar und diskret Hilfe. Die Frau entscheidet selbst, welche Hilfemöglichkeit sie in Anspruch nehmen will, zum Beispiel ein Taxi oder Freunde beziehungsweise Freundinnen rufen.

Aus Scham melden viele Opfer Übergriffe nicht

Sabine Trettenbacher, die seit zwei Jahren die Funktion als Gleichstellungsbeauftragte ausübt, legt seither regelmäßig einen Jahresbericht vor. Auch in der Kreisausschusssitzung am Montag berichtete sie über Modellprojekte, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Beratungen und Kontaktvermittlungen. Besonderes Interesse weckte sie mit ihrem Bericht über das Luisa-Projekt. Sowohl Ulla Diekmann (SPD) als auch Helga Stieglmeier von den Grünen plädierten dafür, das Projekt auch auf Volksfeste auszuweiten. Diekmann sagte, solche Übergriffe seien zu wenig bekannt, denn die Opfer würden sich oftmals schämen und die Schuld bei sich selbst suchen. Auch Stieglmeier hält Volksfeste für einen Nährboden für Übergriffe: "Man sitzt im Alkoholrausch eng aufeinander und wenn Frauen ein Dirndl mit Ausschnitt tragen, halten das viele für einen Freibrief." Trettenbacher signalisierte, dass sie sich um das Thema kümmern werde.

Darüber hinaus erläuterte sie, dass sie sich auch um die Mitarbeiter des Landratsamtes und des Klinikums in Gleichstellungsfragen kümmern. Dabei lobte sie ausdrücklich die Personalverwaltung: "Fast keiner fühlt sich benachteiligt aufgrund seines Geschlechts." Was jedoch gelegentlich vorkomme, "insbesondere in Kliniken", seien anzügliche Komplimente von Kollegen und Vorgesetzten. "Das sollte man nicht ignorieren", sagte Trettenbacher. Als Beispiel nannte sie eine Ärztin, die einem Pfleger Komplimente zu seiner muskulösen Statur gemacht habe und dann fragte, ob sie seinen Bizeps anfassen dürfe. "Sie können bei mir alles anfassen", zitierte Trettenbacher die Antwort des Pflegers und fügte hinzu, den Satz habe dieser so laut gesagt, dass ihn die ganze Station gehört habe. Danach sei Schluss mit solchen Bemerkungen gewesen.

Anzügliche Komplimente sollte man nicht ignorieren

Die Gleichstellungsbeauftragte berichtete ferner, dass sie anlassbezogene Informationsbroschüren und Flyer für Landkreisbürger erstelle. Neu sei beispielsweise der Flyer "Hilfe holen bei sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen" sowie eine Beratungslandkarte zur Prävention und Hilfe bei sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen für Fachkräfte und Vereine.

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit seien die Schulen. 2022 habe sie an neun weiterführenden Schulen im Landkreis Erding das Modellprojekt "Gleichstellung, bist Du schon da?" umgesetzt. 2023 laufe zum Weltmädchentag am 11. Oktober das nächste Projekt an. Geplant seien Treffen mit weiblichen Führungskräften unter dem Motto "Wir kochen auch nur mit Wasser". "Frauen haben einen hohen Perfektionsanspruch", erläuterte Trettenbacher. Mit dem Projekt sollen Vorbehalte gegen sich selbst abgebaut werden. Sechs weiterführende Schulen seien interessiert und sie habe bereits viele Zusagen von weiblichen Führungskräften.

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In ihrem Rückblick wies sie darauf hin, dass sie möglichst alle Altersgruppen ansprechen wolle. So habe sie beispielsweise auch in der Grundschule Altenerding einen Vortrag darüber gehalten, welche Aufgaben eine Gleichstellungsbeauftragte habe. Einen weiteren Vortrag habe sie im Club 65+ gehalten. Sie habe zudem an der Podiumsdiskussion am Weltfrauentag in der Volkshochschule teilgenommen und wolle ein parteiübergreifendes Projekt zum Weltfrauentag 2024 starten. "Man kann was bewegen", sagte sie.

Helga Stieglmeier lobte Trettenbacher, weil sie breit aufgestellt sei und alle Gruppen im Blick habe. Zudem regte sie an, auch Männer in diese Arbeit mit einzubeziehen, damit man eine Sensibilität auf beiden Seiten schaffe.

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