Therme Erding:Im "Urknall" ist Endstation

Lesezeit: 3 min

Projektmanager Stephan Spiller von Wiegand Waterrides rutscht den zweiten Teil probeweise und filmt dabei. Für den Dummy war in der "Urknall" genannten Wanne zuvor Endstation gewesen. Noch sieht man oberhalb nur Stahl. Ob dort ein Sternenhimmel, Nebel oder Lichteffekte im Betrieb zu sehen sind, da lasse man sich überraschen, was Thermenbetreiber Jörg Wund sich wünscht, sagt Spiller. (Foto: Gerhard Wilhelm (oh))

Beim ersten Testlauf der neuen Rutsche in der Therme Erding prallt ein Dummy ungeplant auf. Vor der Abnahme durch den TÜV müssen die Konstrukteure noch "nachjustieren".

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Zahlen sind beindruckend, wenn sie auch nicht an die anderen Rutschen in der Therme Erding heran reichen: Rund 72 Meter Länge, durchschnittlich 10,2 Prozent Gefälle, ein Gesamtgewicht von 36,7 Tonnen und eine Million Euro Kosten. Was die neue Rutsche in der Therme einmalig macht, ist ihr Herzstück, eine Art Trichter, auch "Urknall" genannt, der einen Durchmesser von 9,40 und eine Länge von 13,70 Meter hat. 240 bis 400 Kubikmeter Wasser sollen im Betrieb pro Stunde durch die Rutsche sausen. Die Rutschenfreunde müssen sich aber noch ein wenig gedulden, bis August wohl. Und bis dahin müssen die Techniker von Wiegand Waterrides noch ein wenig "nachjustieren". Beim ersten Testlauf in dieser Woche machte der Dummy im Urknall eine Bruchlandung.

Es sei eine seiner "verrückten Ideen", sagt Thermenbetreiber Jörg Wund

Es sei eine seiner "verrückten Ideen", sagte Jörg Wund, der Betreiber der Erdinger Therme und absoluter Rutschenfan, vor einem Jahr. Eine Rutsche, in der der Gast wie ein Skater in einer Halfpipe auf einem Schwimmreifen mehrmals, drei bis fünf Mal, hin und her pendelt nachdem er aus einer Röhre vom höchsten Punkt im Rutschenbereich schießt. Dann geht es weiter und man verschwindet danach quasi wie in einem Abflussrohr. Das Prinzip ist nicht neu, im Außenbereich der Erdinger Therme steht schon seit 2018 eine derartige Rutsche, die sei sogar rund zehn Prozent größer, sagt Stephan Spiller, Leiter des Internationalen Projektmanagements beim Rutschenkonstrukteur und -hersteller Wiegand. Waterrides. Die im Freien kann man aber nur im Sommer nutzen, was Wund nicht gereicht habe, da der Rutschentyp sehr beliebt sei. Auch bei der Konkurrenz gebe es diesen Typ, aber nur mit einem Pendelschwung. Allerdings habe noch noch niemand bisher eine im Indoor-Bereich gebaut, sagt Stephan Spiller. Und zum ersten Mal geht in Erding eine Rutsche durch die Fassade nach Außen und zurück. Rund sieben Meter ragt die Röhre nach Draußen bis die 180-Grad-Wende abgeschlossen ist. Für die Konstrukteure und Monteure sei das Projekt eine absolute Herausforderung gewesen. Das sei nichts, was man mal schnell auf die grüne Wiese baue, sagt Spiller. Das Motto "Höher, schneller und weiter" sei mittlerweile ausgereizt. Aktuell seien Rutschen gefragt, die das schwerelose Gefühl, das Hin- und Herschschwingen vermitteln. Man rutscht auf Reifen, alleine und zu mehreren.

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Die neue Rutsche habe man "reingefummelt"

Man habe Wund damals gesagt, dass seine Idee nicht geht, weil in die Therme keine weitere Rutsche mehr reinpasse. Aber geht nicht, kommt bei Jörg Wund im Wortschatz nicht vor. "Wir haben alle Rutschen in der Therme gebaut. Anfangs, 2007, mit einer Partnerfirma, was später noch gebaut wurde, selbst. Damals wurde bereits die ganze Halle verplant, auch wenn dann zunächst nur zwei Drittel davon gebaut wurden. Herr Wund kommt tatsächlich so alle zwei Jahre mit einer neuen Idee. Bisher war aber immer nur Platz im Außenbereich. Zwei, drei Ideen für drinnen gibt es schon noch, aber für so ein Riesending eigentlich nicht", sagt Spiller. Die neue Rutsche habe man letztlich "reingefummelt" zwischen all den anderen. Auf dem letzten Platz, den es überhaupt noch gab. Und möglich sei es auch nur gewesen, weil alles auf einem einzigen, stabilen "Baum", einer Stahlkonstruktion mit mehreren Ästen, jetzt steht.

Die reine Nettobauzeit habe vier Monate gedauert, sagt der Projektmanager. Dazwischen habe es Pausen wegen Ferien gegeben oder weil man auf ein gutes Wetter warten musste, um die Fassade für die 180-Grad-Röhre aufzuschneiden. Am Donnerstag war es dann soweit: Zum ersten Mal wurde Wasser in die Rutsche eingeleitet. Zuvor hatte man schon alles gereinigt. Das Ausspülen der Röhre, des Urknalls und der Wasserzuleitungen stand als erstes auf dem Programm. Anschließend wollte man sich langsam an den Vollbetrieb heran tasten und eine Puppe, ein Dummy, mehr Sack als ein menschlicher Körper, sollte als erstes die neue Rutsche testen. Die ersten Probleme traten dann schon bei den Zuleitungen auf, durch die der Urknall an allen Stellen mit Wasser benetzt werden sollte. Statt nur dort, sprudelte es munter von der Konstruktion auf das mehrere Meter tiefer gelegenen Thermen-Erdgeschoss. Also wurde der Wasserfluss reduziert, beziehungsweise erstmal ganz gestoppt.

Der Dummy wurde auf einem Schwimmreifen auf die Reise geschickt

Da der Wasserfluss vom Start bis zum Urknall-Bereich davon nicht betroffen war, ging man trotzdem zu Phase zwei über: Der Dummy wurde auf einem Schwimmreifen auf die Reise geschickt. Am Übergang von der Röhre zum Pendelbereich kippte der Dummy aber nach vorne und stürzte auf den Boden statt auf dem Reifen hin und her zu Pendeln. Für ihn war Endstation. Auch beim zweiten Versuch. Freiwillige menschliche Tester fanden sich nach den beiden gescheiterten Versuchen selbstredend nicht. Aber man habe ja noch Zeit, sagte Stephan Spiller. Der TÜV komme zur Abnahme der Rutsche erst Mitte Juli. Und für genau den eingetretenen Fall gebe es Testversuche. Man werde nach den Ursache forschen. Wahrscheinlich sei ein Problem, dass der Dummy eben nicht ein Mensch sei, das habe man auch daran gesehen, wie er mehr oder weniger als plumper Sack auf dem Schwimmreifen liege. Deshalb kippe er wohl beim Übergang. Man müsse jetzt "nachjustieren", zum Beispiel beim Wasserfluss. "Bisher haben wir noch jede Rutsche zum Laufen gebracht", versichert der Projektmanager.

Beim Testbetrieb kam der Dummy zwei Mal verdreht aus der Röhre, was zu einem Sturz führte. (Foto: Gerhard Wilhelm (oh))
Bei der Fehlersuche im Urknall: Stephan Spiller und ein Mitarbeiter studieren die Videoaufnahme vom Test mit dem Dummy. (Foto: Gerhard Wilhelm (oh))
Die neue Rutsche wird von einer Art stählernem Baum mit Äste getragen. (Foto: Renate Schmidt)
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