Taufkirchen:Erziehung zur Selbständigkeit

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Am 7. Juli wird in Taufkirchen ein Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eröffnet

Von Thomas Daller, Taufkirchen

Am 7. Juli wird in Taufkirchen ein Wohnheim für unbegleitete männliche minderjährige Flüchtlinge im ehemaligen Gasthof zur Post eröffnet. 14 Flüchtlinge ziehen dann ein, im September folgen zehn weitere. Träger der Einrichtung ist der Verein Condrobs, der bereits in München, Augsburg, Bayreuth und Gauting 250 Plätze für jugendliche Flüchtlinge ohne Eltern geschaffen hat. In der "Puerto Wohngemeinschaft", wie die Einrichtung in Taufkirchen heißt, sollen diese Buben zur Selbständigkeit erzogen werden. Sobald sie genug Deutsch können, um einen Beruf zu ergreifen, können sie beispielsweise in Lehrlingsheime wechseln.

Condrobs-Geschäftsführerin Karin Wiggenhauser und Evelyn Ohms, die die Puerto-Wohngemeinschaft leiten wird, stellten das Konzept am Mittwoch Abend im Gemeinderat vor. Etwa fünf Prozent der Asylbewerber seien unbegleitete Minderjährige, sagte Wiggenhauser: "Sie kommen aus den üblichen Kriegsstaaten. Ursachen für die Flucht sind bewaffnete Konflikte wie in Syrien, die Gefahr, als Kindersoldat eingesetzt zu werden wie in Eritrea, wirtschaftliche Not oder bei Mädchen auch die Flucht vor einer Zwangsheirat. Wenn diese Kinder in Deutschland einreisen, haben sie die gleichen Rechte wie ein deutsches Kind."

Die Jugendlichen, die nach Taufkirchen kommen, befänden sich alle bereits in Erding in der City Pension; eine Gruppe habe die Räume in der Post bereits besichtigt. Die erste Gruppe soll die Pensionszimmer im ersten Stock beziehen, die zweite die Wirtswohnung im Dachgeschoss. Condrobs begleite jede Gruppe mit Sozialpädagogen und einem psychologischen Fachdienst. Die Betreuung erfolge rund um die Uhr.

Ziel sei es, die Jugendlichen zur Selbständigkeit zu erziehen. Sie werden nicht bekocht, sondern erhalten Essengeld und müssen sich um ihre Verpflegung selbst kümmern. Auch ihre Wäsche müssen sie selbst waschen; mehrere Maschinen sind vorhanden. Außerdem wird ein Putzplan aufgestellt. Wecken ist jeden Morgen um 6.30 Uhr, um 8.20 Uhr fährt ein Bus zum Deutschkurs nach Erding und von Herbst an können sie die Integrationsklasse in der Berufsschule besuchen. "Ich bin froh, dass wir für alle einen Platz in der Berufsschule ergattert haben. Das ist nicht selbstverständlich", sagte die Condrobs-Geschäftsführerin.

Am Nachmittag steht Hausaufgabenbetreuung für die Jugendlichen auf dem Programm, von Sonntag bis Donnerstag können sie dann bis 22 Uhr ausbleiben und am Wochenende bis 23 Uhr draußen sein. Bettruhe ist um Mitternacht. Im Haus herrscht Alkoholverbot und es darf auch nicht geraucht werden. Wiggenhauser sagte, dass insbesondere die Küche im Gasthaus zur Post ideal sei. Denn dadurch kämen die Jugendlichen mit der Gastronomie in Berührung, was auch zu einem beruflichen Einstieg führen könnte.

"Ziel ist es, dass die Jugendlichen selbständig werden, ausziehen können, sich in Deutschland zurechtfinden und sich integrieren können", sagte Wiggenhauser. Bei vielen laufe "im Hintergrund" ein Asylverfahren, wobei Jugendliche aus Eritrea, Somalia, Syrien und Afghanistan eine hohe Anerkennungsquote hätten. Darüber hinaus stünden gesetzliche Änderungen an, dass diese Jugendlichen, wenn sie drei oder vier Jahre in Deutschland seien und einen deutschen Berufsschulabschluss hätten, nicht mehr abgeschoben werden, auch wenn ihr Asylantrag nicht anerkannt worden sei.

Wiggenhauser appellierte an die Taufkirchener, die Jugendlichen mittels Vereinen oder dem Jugendtreff zu integrieren. Auch die Gemeinde könne dazu beitragen, dass sie sich vernetzen und wohlfühlen könnten. "Alles wird sicher nicht gerade verlaufen", kündigte sie an. "Wenn irgendwas nicht stimmt, kommen sie bei uns vorbei, klingeln sie, rufen sie an. Wir werden dann mit den Jugendlichen eine Lösung suchen."

Die Taufkirchener Gemeinderäte wiesen die beiden Sozialpädagoginnen darauf hin, dass sie ihre Schützlinge davon abhalten sollten, bestimmte Brennpunkte zu besuchen. Das sei zum einen der Bürgerpark, wo sich derzeit viele Jugendliche treffen würden, um sich zu betrinken. Zum anderen sei es das in Kürze beginnende Volksfest, wo es ähnliche Probleme geben könne. Wiggenhauser und Ohms wandten sich zum Abschluss mit der Bitte an die Taufkirchener, dass man noch gebrauchte Räder benötige und eine Tischtennisplatte.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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