Tag der offenen Tür am Isar-Amper-Klinikum:Die Krise als Chance begreifen

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Auf zwei offenen Stationen therapieren die Mitarbeiter am Isar-Amper-Klinikum Patienten mit psychischen Störungen. Sie sollen durch ein modernes Konzept wieder fit gemacht werden "für eine baldige Rückkehr in den Alltag". Die Nachfrage ist groß

Von Jan-Hendrik Maier, Taufkirchen

Das Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen hat in den vergangenen 15 Monaten sein Angebot an psychotherapeutischer und psychosomatischer Behandlung neu organisiert. Drei Ziele stehen dabei im Vordergrund: den Patienten eine passgenaue Therapie ohne lange Wartezeiten ermöglichen, sie nah am Wohnort zu behandeln und eine gute Vernetzung mit anderen Fachstellen und Ärzten zu gewährleisten. Aus diesen Gründen ist die Station A1 fortan speziell für die Kurz- und Krisenintervention (Akutpsychiatrie) zuständig. Psychotherapie und Psychosomatik gehört zum Profil der Station A3. Beide Stationen befinden sich in einem Haus.

Schon jetzt ist die Nachfrage nach einem Therapieplatz groß. Wer sich auf einer offenen Station in Behandlung gibt, ist freiwillig da. Die Patienten kommen entweder selbst, oder aber auf Überweisung des Hausarztes. Die Station können sie auch ohne vorherige Erlaubnis verlassen. Am Mittwoch wurde das Konzept nun bei einem Tag der offenen Tür vorgestellt und die Besucher hatten Gelegenheit, die Stationen zu besichtigen.

"Wir wollen den Patienten ankommen lassen und verzichten auf vorgefertigte Schablonen", sagte Michael Leo, stellvertretender Leiter der Station A1. "Es geht zunächst darum, elementare Dinge des Alltags wie regelmäßigen Schlaf wieder in den Griff zu bekommen." Zu Leo kommen Menschen, die sich plötzlich in einer Krise befinden. Die Auslöser dafür können vielfältig sein: Beziehungskonflikte, Traumata, Burnout, Suizidgedanken. "Wir wollen unsere Patienten schnell stabilisieren und zeigen, dass ihre Krise nicht nur eine Gefahr, sondern vor allem auch eine Chance ist." 22 Betten stehen auf der offenen Station zur Verfügung. In der Regel bleiben die Patienten dort etwa zwei Wochen. Wenn eine längerfristige Behandlung notwendig ist, geht es ein Stockwerk höher auf Station A3. "Der Übergang soll dabei möglichst fließend sein und ohne Wartezeit ablaufen", sagte Chefarzt Dr. Bertram Schneeweiß. Davon abgesehen haben die kurzen Wege einen therapeutischen Grund, denn so will man Beziehungsabbrüche zwischen Patienten und Pflegern vermeiden. Das ist wichtig, da das Pflegepersonal auch co-therapeutische Aufgaben übernimmt wie Slackline, Training emotionaler Kompetenzen oder Gruppen zur Bewältigung von Depressionen.

"Unser Ziel ist es, den Patienten fit zu machen für eine baldige Rückkehr in seinen Alltag", sagte Schneeweiß. Die Neuausrichtung sieht er als "ersten strukturellen Schritt hin zu einer versorgungs- und psychiatrienahen Psychosomatik". Um diesem Anspruch in der Praxis gerecht zu werden, orientiere man sich an den Methoden der modernen Verhaltenstherapie. "Das Problem konkretisieren, ein realistisches Ziel definieren und dann einen Weg dahin finden", fasst Schneeweiß das Prinzip zusammen. Doch wegen der kleinen Größe des Standorts könnten nicht alle psychischen Störungen intensiv behandelt werden. Deshalb arbeitet man eng mit den entsprechenden Spezialstationen an der Schwesterklinik München-Ost zusammen. Von dort kam im vergangenen Herbst auch die neue Oberärztin Dr. Katharina Grobholz. Zusammen mit Sabine Dettenhofer leitet sie die beiden Stationen - ein für Taufkirchen einzigartiges Projekt, das man drei Jahre lang ausprobieren wird. Die ärztliche Direktorin, Professorin Margot Albus, erinnerte daran, dass ihr Vorgänger Dirk Bremer bereits vor zwölf Jahren angefangen habe, ein erstes, gemeinsames Konzept für Psychosomatik und -therapie in Taufkirchen zu entwickeln. Die Anpassung in den vergangenen Monaten sei zwar schwierig gewesen, aber letztlich gelungen. Albus sagte, dass längerfristig eine Sanierung oder ein Neubau der alten Klinikgebäude notwendig sei. "Die Lokation passt schon mal, aber der Hotelcharakter könnte noch besser werden."

Margitta Borrmann-Hassenbach, stellvertretende Vorsitzende der Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo), wiederholte am Mittwoch die "leitgebenden Aspekte" für die Innovationen am Klinikum: integrative Psychotherapie, das heißt die Suche nach individuellen Behandlungsangeboten, ambulante und tagesklinische Strukturen, Präsenz in der Region. Als "Zeichen gegen die Stigmatisierung von psychisch kranken Menschen" bezeichnete Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) den Tag der offenen Tür.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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