SZ-Adventskalender:Für ein paar Stunden die Krankheit vergessen

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Hier können Kunden Schnäppchen machen und zugleich Menschen helfen. Im Bild Andreja Sarlah-Foltin und Anja Deutenbach vom Rentabel-Team. (Foto: Renate Schmidt)

Das Sozialkaufhaus Rentabel gibt Menschen eine Beschäftigung, die nicht mehr oder nur stundenweise arbeitsfähig sind. Zu den gesundheitlichen Problemen kommen finanzielle Sorgen

Von Regina Bluhme, Erding

Peter S. hat lange Jahre Vollzeit im Verkauf gearbeitet. Jetzt ist er froh, wenn er zweimal die Woche ein paar Stunden durchhält. Seine chronische Schmerzerkrankung lässt ihn manchmal schier verzweifeln. Die Stunden, die er nun bei Rentabel, dem Erdinger Sozialkaufhaus der Caritas, absolviert, geben ihm Halt und sie lenken ihn von den finanziellen Sorgen ab. Denn die Krankheit macht ihn arm. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte die Arbeit der Caritas-Einrichtung unterstützen.

20 bis 30 Tropfen eines Schmerzmittels darf Peter S., der in Wirklichkeit anders heißt, nehmen. Das reicht nicht für den ganzen Tag. Meist ist es nachmittags schon kaum mehr auszuhalten. "Er hat das Gefühl, dass die ganze Haut brennt, dass er innerlich verbrennt", so hat er es Caritas-Mitarbeiterin Katrin Hartmann von Rentabel geschildert. Peter S. erhält eine Erwerbsminderungsrente, das Geld ist knapp. Nach der Trennung von seiner Frau musste er aus der Wohnung ausziehen, sie war laut Amt zu groß für ihn alleine. Die Wohnungssuche und der Umzug kosteten ihn viel Kraft und auch die Ausgaben machen ihm zu schaffen. Noch fehlt ihm eine Couch, dafür reicht im Moment aber das Geld nicht.

Franziska A. (Name geändert) sortiert zweimal in der Woche bei Rentabel die Bücher ein. Mehr geht nicht. Sie leidet seit Jahren unter epileptischen Anfällen. Hinzu kommen Panikattacken, die es ihr unmöglich machen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Um zu Rentabel zu gelangen, ist sie immer auf andere angewiesen. Ein Fahrrad wäre für sie eine große Hilfe, sagt Katrin Hartmann, und würde ihr zudem eine Stück mehr Selbständigkeit ermöglichen. Weil Franziska A. unter Gleichgewichtsstörungen leidet, müsste das Rad drei Räder haben. Doch den Kauf kann sie sich nicht leisten.

Krankheit macht arm, das gilt für viele der Beschäftigten von Rentabel. Ein Bandscheibenvorfall oder Diabetes, aber auch ein Schicksalsschlag, wie Tod eines Partners oder das Scheitern einer Ehe, wirft Menschen aus der Bahn. Das kann so weit gehen, dass der Betroffene nicht mehr arbeitsfähig ist, in soziale Isolation gerät. "Die Leute ziehen sich zurück, auch weil Geld für Unternehmungen fehlt", weiß Katrin Hartmann. Daraus könne sich dann psychische Erkrankung entwickeln, wie Depression. Andere geraten in die Alkoholsucht.

Das Sozialkaufhaus Rentabel verkauft gespendete, gut erhaltene Möbel, Kleidung, Deko, Haushaltswaren, Spielzeug oder Bücher. Jeder der Beschäftigten, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen, hat sein Schicksal zu tragen, und trotz allem "kommen alle gerne und regelmäßig zu uns", sagt Hartmann. Oft ist es die einzige Möglichkeit, unter Menschen zu kommen.

Die Caritas hat zudem für zehn Beschäftigte beim SZ-Adventskalender einen Zuschuss von insgesamt 1000 Euro beantragt, um diese zehn Langzeitarbeitslosen auf ihrem Weg zurück ins Arbeitslosen zu unterstützen., denn dabei kommt unter Umständen einiges auf sie zu: Von den Kosten für einen Führerschein bis zur Hinterlegung einer Kaution. Eine unerwartete Ausgabe kann schnell zu Engpässen führen. Die Caritas möchte gezielt den zehn Menschen helfen.

Für Zuverdienstmitarbeiter von Rentabel, die außerhalb Erdings wohnen und für freiwillig Engagierte im Projekt "Bleib dabei" hat die Caritas insgesamt weitere 4000 Euro beantragt. "Bleib dabei" bietet ehemaligen Teilnehmern, die bei Rentabel eine befristete Arbeitsgelegenheit absolviert haben, einen "offenen Beschäftigungsrahmen", erklärt Katrin Hartmann. Die Teilnehmer erhalten Unterstützung bei der Tagesstruktur sowie bei privaten und psychologischen Problemen oder bei "behördlichen und finanziellen Schwierigkeiten", erklärt Hartmann.

Das Zuverdienstprojekt wiederum möchte Menschen mit Behinderung, die nicht mehr erwerbsfähig sind, eine Beschäftigung ermöglichen. Diese erhalten eine Aufwandsentschädigung von 1,50 Euro pro Stunde. Bei maximal drei Stunden, die sie täglich arbeiten dürfen, entstehen Mitarbeitern von außerhalb Erdings, erhebliche Fahrtkosten, so Hartmann. Mit dem Zuschuss aus dem SZ-Adventskalender könnten Menschen, die ohnehin auf jeden Cent schauen müssen, zumindest die Kosten für die Fahrten decken - für Fahrten zu einem Ort, der ihnen zumindest für ein paar Stunden Halt gibt und die Kraft, den Alltag, die Schmerzen, die Sucht oder die Einsamkeit besser zu ertragen.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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