SZ-Adventskalender:Arbeit schützt vor Armut nicht

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Nicht wenige Geringverdiener und Alleinerziehende schaffen es kaum, ihre Familien über die Runden zu bringen

Von Regina Bluhme, Erding

Sven W. (alle Namen geändert) weiß manchmal einfach nicht mehr weiter. Der junge Familienvater aus Erding arbeitet Vollzeit - und trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht. Mit seiner Frau Sabine hat er zwei kleine Buben, noch im Dezember soll das dritte Kind auf die Welt kommen. W. ist bei einer Zeitarbeitsfirma in Landshut beschäftigt, wo er trotz eines Vollzeitjobs zu wenig verdient.

Die knapp 1200 Euro netto reichen nicht zum Leben, für Miete, Lebensmittel, die Versorgung der Kinder. Deshalb ist Sven W. trotz seines Arbeitsplatzes auf aufstockende Leistungen über das Jobcenter angewiesen. Seine Frau Sabine ist momentan zu Hause bei den Söhnen und wird auch auf absehbare Zeit nicht arbeiten gehen können. Das Auto der Familie sorgt immer wieder für zusätzliche Kosten. Sven W. ist auf den Wagen angewiesen, den er Monat für Monat in kleinen Raten abstottert. Da das Fahrzeug bereits sehr alt ist, sind immer wieder Reparaturen fällig. Der Familienvater weiß oft nicht, wie er diese bezahlen soll. Gerne würden Sven und Sabine W. Weihnachtsgeschenke für ihre beiden Buben im Kindergartenalter kaufen. Doch jede zusätzliche Ausgabe stellt eine große Belastung dar. Und ausgerechnet jetzt ist die Waschmaschine kaputt gegangen und Sven W. weiß nicht, wie er das Geld für eine neue zusammenkratzen soll. Auf Erspartes kann er nicht zurückgreifen, denn Rücklagen für dringende Reparaturen oder einen Neukauf kann er mit seinem kleinen Einkommen nicht bilden.

Ralf Lohrberg von der Schuldnerberatung der Caritas Erding kennt den Fall der Familie W. Und er kennt noch viele weitere Familien im Landkreis, die trotz Vollzeitjobs nicht über die Runden kommen. "Mittlerweile arbeiten ja oft beide Ehepartner, denn allein ein Gehalt geht für Miete und Nebenkosten drauf", weiß Lohrberg. Familien hätten eine "enorme Grundbelastung" zu stemmen. Da dürfe nichts mehr dazwischen kommen. Eine neue Waschmaschine, eine Autoreparatur oder ein Satz neuer Winterreifen stellten die Familien vor ein großes Problem. Die Nachfrage nach einer Schuldnerberatung sei seit Jahren konstant hoch. Viele würden erst in der Beratung erfahren, dass sie aufgrund ihres geringen Einkommens Anspruch auf Unterstützung durchs Jobcenter hätten. "Doch diese Hilfe lehnen viele aus Scham oder Stolz ab. Da habe ich einige Fälle", berichtet Lohrberg.

Die Situation in den Familien sei hart, aber ein Päckchen mehr hätten die vielen Alleinerziehenden zu tragen, erklärt Brigitte Fischer von der Sozialberatung der Caritas Erding. Die Frauen müssten nicht nur alleine die finanzielle Situation stemmen, sie seien auch alleine für den Alltag mit den Kindern zuständig. Sie betreue im Moment fast ausschließlich Alleinerziehende, sagt Brigitte Fischer. Beim ersten Besuch höre sie meist diesen Satz: "Ich schaffe es einfach nicht mehr."

Der Alltag als permanenter Kraftakt - das kennt auch Anna S. Die alleinerziehende Mutter eines Sohnes im Teenageralter hatte ursprünglich einen recht gut bezahlten Job am Flughafen. Dann hatte sie zweimal Riesenpech mit den Wohnungen. Zweimal stellte sich heraus, dass diese massiv von Schimmel befallen waren. Die Folge war eine chronische Erkrankung. Lange hatte ihr der Arbeitgeber die Stelle am Flughafen freigehalten, doch dann war klar, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung nicht mehr in den alten Beruf zurückkehren konnte. Jetzt hält sie sich mit verschiedenen Jobs über Wasser. Da sie aber aufgrund ihrer Krankheit nicht schwer tragen kann, ist sie auf ein Auto angewiesen. Der Wagen ist schon sehr alt und die häufigen Reparaturen bereiten Anna S. große Sorgen. Geld zum Ansparen kann sie nicht zurücklegen.

Weihnachten steht vor der Tür, "da ist der Druck besonders groß", weiß Brigitte Fischer. Schließlich sollen die Kinder nicht unter der angespannten finanziellen Lage leiden. "Viele Eltern stehen vor einem großen Problem", sagt auch Ralf Lohrberg. Überall werden Geschenke angepriesen und "vielen wird ihre Situation noch bewusster, die Enge, in der sie leben." Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte die Familien von Sven W. und Anna S. mit einer Spende unterstützen.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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