Stadthalle Erding:Knapp an der Insolvenz vorbei

Lesezeit: 3 min

Als Veranstaltungsort hat sich die Stadthalle Erding, hier mit Bühne und geschlossenem Vorhang, einen Namen gemacht. (Foto: Stephan Görlich)

Die Corona-Nachwehen treiben das jährliche Defizit der Stadthalle Erding in neue Höhen. Geschäftsführerin Jutta Kistner beschreibt im Stadtrat die dramatische Lage. Es wird wohl in den kommenden Jahren auch nicht leichter.

Von Regina Bluhme, Erding

Es klingt dramatisch, was Jutta Kistner, die Geschäftsführerin der Stadthalle Erding, am Dienstag im Stadtrat berichtet hat: Die GmbH ist 2021 nur knapp an einer Insolvenz vorbeigeschrammt. Aufgefangen wurde das Defizit durch die Gesellschafterin, die Stadt Erding. Der Stadtrat hat weiterhin seine finanzielle Unterstützung zugesagt und das auch jüngst im neuen Haushaltsplan beschlossen. Doch die Verteilungskämpfe werden heftiger werden, befürchtet Kistner, und so werde sich in den nächsten Jahren auch die Frage stellen, in welcher Geschäftsform und auf welchen Betätigungsfeldern die Stadthalle Erding künftig agiert.

"Hand aufs Herz: Wer von Ihnen hat die Veranstaltungen der Stadthalle vermisst?" So begann Jutta Kistner ihren Bericht über Geschäftsjahr 2021. Die Frage war rhetorisch gemeint, eine Antwort gab es aus dem Gremium auch nicht, aber ein bisschen provokant darf es schon sein, schließlich hat die Stadthalle schwere Zeiten hinter sich: ein Jahr 2021, das von Corona und somit von Testverordnungen, Abstandsregeln und monatelangem Lockdown bestimmt war und von einem Defizit von 895 000 Euro. Laut Jutta Kistner muss die Stadt deshalb pro Kopf 64 Euro zuschießen, "das ist jenseits von Gut und Böse". In den Jahren zuvor waren es im Schnitt zehn Euro.

Ganz in rot erstrahlte die Stadthalle bei der Night of Light 2022. Mit der bundesweiten Aktion wollte die Veranstaltungswirtschaft darauf aufmerksam machen, dass die Branche besonders unter der Corona-Krise gelitten hat. (Foto: Renate Schmidt)
Geschäftsführerin Jutta Kistner (3. von rechts) im August 2022 bei der Vorstellung des neuen Gastro-Teams (von links) Tanja Wende, Angelika Steiger, Thomas Hüninger und Pascal Bareiß. (Foto: Renate Schmidt)

Der Vergleich zu den vergangenen Jahren zeigt allerdings, dass das Defizit schon immer recht hoch war: 2017 lag es bei 687 000 Euro, 2018 bei 713 00 Euro, 2019 bei 724 000 Euro, im Corona-Jahr 2020 bei "nur" 504 000 Euro (allerdings verzerrt unter anderem durch Hilfsgelder und gestrichenes Kulturprogramm). Die Bilanzsumme der Stadthalle sank laut Geschäftsbericht 2021 auf 632 000 Euro (im Vorjahr waren es noch 1,5 Millionen). Bankguthaben und Kassenbestände halbierten sich auf 512.000 Euro, "die Liquidität war noch gesichert", heißt es im Bericht. Noch.

Der Wirtschaftsplan 2022 der Stadt geht von einer Lücke von 1,12 Millionen aus. Im Nachtragshaushalt ist nun ein gedeckelter Betrag bis maximal 1,2 Millionen Euro zugesagt. In der Sitzung am Dienstag wurde einstimmig der Haushalt 2023 beschlossen, der als Einlage für die Stadthalle für 2023 bis 2026 jeweils eine Million Euro eingestellt hat.

Die Stadt stehe weiterhin hinter dem Haus, betont Oberbürgermeister Max Gotz

Ohne weitere Anpassung und ohne Zusagen der Stadt für eine weitere Übernahme des entstehenden Defizits, werde das Unternehmen "unausweichlich in den nächsten Jahren in die Insolvenz geraten", erklärte Jutta Kistner. Die Stadt stehe weiterhin hinter dem Haus, "wer, wenn nicht die Stadt?", betonte Oberbürgermeister Max Gotz (CSU). "Das zeichnet sich auch im Haushalt ab". Kulturreferent Ludwig Kirmair (CSU) betonte, der Aufsichtsrat stehe hinter der Stadthalle, ohne die Einrichtung wäre Erdings Kulturwelt "sehr arm".

Einen positiven Effekt gab es 2021 immerhin auch. "Wir hatten einen Digitalisierungsschub", sagte Kistner, das Haus sei nun technisch sehr gut aufgestellt und habe deshalb auch zwei "Oberliga Tagungskunden" gewinnen können, den TÜV Süd und die Kongressgesellschaft des Landes Bayern.

"Die Inflation ist unser größter Feind", sagt Geschäftsführerin Jutta Kistner

Die Nachwehen der Pandemie seien weiterhin zu spüren - und jetzt kommen neue Krisen dazu wie Ukraine-Krieg, Energieunsicherheit, steigende Personalkosten. "Die Inflation ist unser größter Feind", so Kistner. Damit gehe die defizitäre Schere immer weiter auseinander. Weitere Preisexplosionen könnten dem Haus tatsächlich "den Todesstoß geben".

Die Stadthalle könne schwer gegenlenken: Bei der Zahl der Veranstaltungen gebe es ein Limit. Das Jahr habe nun mal 365 Tage, von den im Schnitt 250 bis 300 zur Verfügung stehen. "Und wir wollen auch nichts auf die Tickets draufschlagen." Dann wäre ein Besuch der Stadthalle für viele unerschwinglich.

Die Verteilungskämpfe um die Haushaltsmittel werden härter werden

Erschwerend komme hinzu, dass die Große Kreisstadt mit sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Kosten rechnen muss. Kistner ist sicher, dass über kurz oder lang "die Verteilungskämpfe um Haushaltsmittel mit härteren Bandagen geführt" werden. Es gebe ja auch noch andere kulturelle Einrichtungen, wie Museen oder Büchereien.

Die Stadthalle verstehe sich als sozialer Treffpunkt, der für kulturelle, gesellschaftliche und gewerbliche Events sorge. Sie tut das im Auftrag der Stadt im Rahmen des sogenannten Betrauungsakts. Dieser läuft 2024 aus. Spätestens dann werden sich laut Jutta Kistner einige Frage stellen: Ob es sich die Stadt leisten kann oder will, "die unausweichlich steigenden Defizite für ihre kommunale Freizeiteinrichtung neben den wachsenden Pflichtaufgaben weiter zu tragen". Oder wie und wo das Angebot reduziert werden muss. Oder ob vielleicht nicht sogar die Aufgabenbereiche wie Stadthalle, Tourist-Info und Innenstadtevents unter einem Dach vereint werden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: