Neufahrn:Kaum Chancen für Menschen in Not

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Von Birgit Grundner, Neufahrn

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist schwieriger denn je, und das nutzen skrupellose Vermieter zunehmend aus: Sie verlangen hohe "Provisionen", damit jemand den Zuschlag bekommt. Winzige Zimmer und Kellerräume werden zu horrenden Preisen und meist ohne Vertrag mehrfach untervermietet. Von solchen zweifelhaften "Geschäftsmodellen" berichten die Obdachlosenbetreuer Felizitas Schmitz und Peter Ketzer-Yilmaz in ihrem jetzt vorgestellten Jahresrückblick 2016. Vor dem Hintergrund würden die Chancen, Menschen aus Notunterkünften wieder zu einer richtigen Wohnung zu verhelfen, "immer geringer". Zumal viele Betroffene Migrationshintergrund haben und alle verschuldet sind.

Während im vergangenen Jahr zumindest zehn Menschen aus den Obdachlosen-Containern am Bahnhof wieder in Wohnungen umziehen konnten, gab es heuer noch kein einziges Erfolgserlebnis. Auch ist es in den vergangenen Jahren nur ein einziges Mal gelungen, eine Sozialwohnung zu vermitteln. Umso mehr freuen sich die Obdachlosenbetreuer auf die Einfachst- und Sozialwohnungen, die derzeit nördlich der Bahn errichtet werden. Schmitz und Yilmaz-Ketzer plädieren bei den Einfachstwohnungen für ein Gesamtkonzept, das auch die bestehenden Notunterkünfte einbezieht und den Bewohnern "Auf- und Abstiegsmöglichkeiten" bietet.

In Anbetracht des schwierigen Wohnungsmarktes ist es laut Schmitz noch wichtiger geworden, bestehenden Wohnraum zu erhalten - also zu verhindern, dass Menschen eine Wohnung verlieren. Deshalb bieten sie und Ketzer-Yilmaz frühzeitige Hilfe. Kann die Obdachlosigkeit nicht verhindert werden, unterstützen die Sozialpädagogen die Betroffenen bei der Prüfung finanzieller Ansprüche und der Klärung von Versicherungsfragen. Sie vermitteln eine Schuldnerberatung oder stellen bei Bedarf auch Kontakte zu Therapieeinrichtungen her. Mehrere Bewohner der Notunterkünfte leiden an Sucht- oder psychischen Erkrankungen.

Im vergangenen Jahr waren 66 Menschen in den Notunterkünften in Neufahrn untergebracht, darunter 18 Frauen, elf Kinder und drei schwerkranke Menschen. Bei 41 Bewohnern handelte es sich um meist aus Osteuropa stammende EU-Bürger. Sie waren zum Arbeiten nach Deutschland gekommen und hatten in "Boardinghäusern" gewohnt oder waren vom Arbeitgeber ohne schriftlichen Mietvertrag in "Dienstwohnungen" untergebracht worden. Bei Verlust des Arbeitsplatzes oder bei einem finanziellen Engpass stehen sie dann auf der Straße. Die Obdachlosenberatungsstelle der Gemeinde ist im Rathaus untergebracht. Die Menschen stünden dort oft Schlange, erzählt Schmitz. Als "neuer Schwerpunkt" der Arbeit ist Nachsorge bei ehemaligen Obdachlosen dazu gekommen. Gerade Menschen, die lange Zeit obdachlos waren, gerieten schnell wieder in Krisensituationen, weiß Schmitz. Bürgermeister Franz Heilmeier (Grüne) bescheinigte Felizitas Schmitz und Peter Ketzer-Yilmaz "hohe fachliche und menschliche Kompetenz".

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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