Neufahrn:"Ich habe immer nur Angst gehabt"

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Der 96-jährige Holocaust-Überlebende Max Mannheimer berichtet in Neufahrn von den Schrecken des Dritten Reichs

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Widerstand? Max Mannheimer schüttelt den Kopf, als er die Frage hört: "Ich habe keinen Widerstand geleistet." Seine einzige Heldentat sei es gewesen, dass er als Bub in einem Kurpark in Südmähren ein paar Verbotstafeln weggerissen und ins Wasser geworfen habe. "Juden nicht zugänglich" stand auf den Tafeln. Das war es aber auch schon. "Ich habe immer nur Angst gehabt", erinnert sich der 96-Jährige, der einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie im Sudetenland entstammt und den Holocaust überlebt hat: "Ich habe nie etwas getan, was mich gefährden könnte." Als Held will Mannheimer also nicht gesehen werden, auch nicht als Richter oder Ankläger. "Ich komme als Zeuge jener Zeit" und als einer, der über die Schrecken des Dritten Reichs aufklären will - seit mittlerweile mehr als 30 Jahren und an diesem Abend in der Alten Halle in Neufahrn.

Vor den Deutschlandfahnen, die wegen der Fußball-Europameisterschaft gerade an der Bühne hängen, erzählt er, wie die Nazi-Schergen fast seine ganze Familie ausgelöscht haben und warum er nach dem Krieg eigentlich nie mehr nach Deutschland kommen wollte. Und lächelnd berichtet er dann von seiner zweiten Frau Elfriede, wegen der er dann eben doch zurückgekehrt und letztlich bis heute geblieben ist.

"Sie sind so gelassen und ruhig, gar nicht verbittert", wundert sich eine Zuhörerin, die selbst die Tränen nahe ist: "Wie schafft man das?" Ein anderer fragt: "Wie schafft man da den Übergang ins normale Leben?" - "Durch meine Aufgabe", erklärt Mannheimer. Wäre er passiv, "würde ich an Depressionen leiden". Lieber besucht er - mittlerweile im Rollstuhl - Schulen, hält auch als Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau Vorträge, liest aus seinen Büchern, damit auch heutige Generationen nicht vergessen, was die Nazis mit den Juden und allen anderen, die ihrer Ideologie im Wege waren, gemacht haben.

Nur sein Bruder Edgar hat mit ihm Krankheit, Hunger und den Sadismus der SS-Leute in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau, Warschau, Dachau sowie den Außenlagern Karlsfeld und Mühldorf überlebt. Was er denn empfinde, wenn er nun die Veränderungen in jüngster Zeit sehe, will eine Zuhörerin wissen. Hätte er so eine Radikalisierung der Sprache und eine Verachtung von Menschen erneut für möglich gehalten? "Es ist furchtbar", antwortet Max Mannheimer: "Es ist das Gleiche wie den Juden widerfahren ist - da ist kein Unterschied." Was in Auschwitz geschehen sei, habe letztlich keinen Einfluss auf die Menschen gehabt: "In der ganzen Welt wird weiter gemordet." Deshalb sei es weiter sein Hauptziel, die heutige Generation vor den Gefahren von Diktaturen zu warnen. Denn "die Masche" der Diktaturen sei doch immer die gleiche.

In der Alten Halle wird deutlich, dass manche bei solchen Worten mit der eigenen Familie hadern: "Meine Eltern waren Mitläufer", stellt eine Frau fest. Die Großmutter sei sogar zum Reichsparteitag nach Nürnberg gefahren "weil's so schön war". Mannheimer wirbt trotz der eigenen Geschichte um Verständnis: "Es ist halt gefährlich gewesen, Widerstand zu leisten", weiß er. Wäre er zu der Zeit in Deutschland gewesen, "hätte ich vielleicht auch mitgemacht". Mannheimer besuchte Neufahrn aus Anlass der Ausstellung "Demokratie stärken - Rechtsradikalismus bekämpfen", die noch bis 11. Juli im Rathaus zu sehen ist. Die Friedrich-Ebert-Stiftung will damit auch zu demokratischem Engagement vor Ort motivieren.

Am Donnerstag, 7. Juli, um 19 Uhr, liest Mo Asumang in der Alten Halle aus ihrem Buch "Mo und die Arier". Die afrodeutsche Fernsehmoderatorin sucht die offene Konfrontation mit Hasspredigern und entlarvt sie dadurch.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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