Museum für Wald und Umwelt:Von Wald zu Wald

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Vier Jahre hat Ines Linke das Museum für Wald und Umwelt in Ebersberg geleitet. Jetzt wagt sie mit Workshops und Projekten den Schritt in die Selbständigkeit. Ihrer Leidenschaft wird die 43-Jährige aber weiterhin treu bleiben

Von Franziska Bohn, Ebersberg

Unzählige Stechmücken schwirren im Wald. Eine zieht kleine, unregelmäßige Kreise durch die Luft und lässt sich unbemerkt auf dem Schlüsselbein von Ines Linke nieder. "Als ich das erste Mal im Ebersberger Forst war", sagt sie, "habe ich mich gefragt, warum der Wald so aussieht, wie er jetzt gerade ist". Ines Linke ist die Leiterin des Museums Wald und Umwelt in Ebersberg. Sie steht am Waldrand und lässt den Blick hinab ins Tal schweifen. Eine Hand hat sie ausgestreckt und zeigt jetzt ein paar Meter vor sich: "Es ist kaum vorstellbar, dass dort früher alles Gletscher war." Jahrtausende habe es gedauert, bis zuerst Moose und Flechten, dann Gräser und zuletzt auch Bäume dort wachsen konnten.

Lange wird sie diese Aussicht nicht mehr genießen können, Linke gibt die Leitung des Museums ab. Ende des Jahres verabschiedet sich die 43-Jährige nach vier Jahren in die Selbständigkeit: "Die Arbeit hat mir großen Spaß gemacht, aber ich möchte diesen Schritt jetzt gehen." Dieser Wunsch reifte die letzten Jahre langsam in ihr heran, jetzt passen auch die Rahmenbedingungen. Linke hat Forstwirtschaft mit Schwerpunkt Ökologie und Umwelt an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg studiert und ist Försterin, Gartenbaulehrerin und zertifizierte Waldpädagogin.

Künftig wird sie dann ihr Wissen über den Wald in Workshops und Projekten an andere weitergeben. Dazu zieht es sie auch hinaus in die Welt, am liebsten würde sie in verschiedenen Ländern arbeiten. Tansania etwa kann sie sich gut vorstellen. "Das Museum hier ist etabliert und läuft super, an anderen Orten gibt es viel mehr Bedarf, vor allem an Beratung für Schulklassen." Dort sei Bildung nicht so selbstverständlich wie hier. Und auch sie selbst möchte dort weiter dazulernen, jeder Wald sei schließlich anders.

Hier in Ebersberg hat sie ihre Spuren hinterlassen: Eine Fotovoltaikanlage wurde dieses Jahr auf dem Dach des Museums installiert - nach elf Jahren Gezerre: "Das ist dem Engagement vieler Beteiligten zu verdanken, wir waren aber alle sehr erleichtert, als endlich eine Lösung gefunden wurde", sagt Linke. Sie hat in den vier Jahren viele Projekte und Ausstellungen betreut - besonders beliebt sei das Bienen-Projekt gewesen, das zusammen mit Kindern gestaltet wurde. 2017 gab es ein Rekordhoch an Besucherzahlen. Den Erfolg will sich die Museumsleiterin aber nicht selbst zuschreiben: "Teamwork!".

Wusch! - die Stechmücke kann gerade so der ansausenden Hand entkommen. Auf der Haut unter dem Schlüsselbein, wo sie gerade noch saß, prangt jetzt ein roter Stich knapp über ihrem schwarz-weiß geringeltem T-Shirt. "Man muss immer in Bewegung sein, damit die Mücken einen hier nicht stechen", sagt Linke und läuft einen kleinen Weg entlang in den Wald. Ihr brauner Pferdeschwanz schwingt hin und her, die Luft ist hier stickiger, aber die Sonne brennt nicht mehr so stark. Einige Kinder mit kleinen Ästen und Grasbüscheln kommen ihr entgegengesprungen. Die Grundschulklasse nimmt gerade an einem Lernprogramm des Museums zum Thema Bienen teil. Sie haben auf dem Waldboden mit Ästen und Laub eine Bienenwabe nachgebaut. "Das müsste eine Larve sein und das der Honig", erklärt Linke und betrachtet das Kunstwerk für eine Weile lächelnd.

Vor allem den Kindern wollte Ines Linke mit ihrer Arbeit das Umweltbewusstsein näherbringen. "Kinder und Wald passen einfach gut zusammen, deswegen bin ich hier gelandet." Ein Gästebucheintrag eines Kindes ist ihr dabei besonders in Erinnerung geblieben: Ein korrekter Kreislauf zur Schafswolle. Das macht sie stolz, denn "wenn der Nachwuchs gesund ist, ist es der Wald auch".

Eines ihrer letzten Projekte wird der Naturerlebnispfad im Ebersberger Stadtwald sein. Mit richtigen Eberfiguren: "Die sind besser als einfache Schaubilder - und der Eber passt einfach zu Ebersberg."

Der Stich ist immer noch angeschwollen und juckt. Linke läuft suchend durch das Gras und zupft schließlich ein Blatt Spitzwegerich heraus: "Der hilft am besten gegen das Jucken, das wusste man schon in der Steinzeit!", sagt sie und zerreibt das Blatt zwischen ihren Fingern. Grüner Saft läuft heraus. Die entstandene Pampe presst sie auf den Stich - "Das ist wie ein Wiesenpflaster."

Vor ihrer Zeit im Waldmuseum gab es oft Probleme zwischen Förderkreis und Leitung. Die Arbeit mit dem Förderkreis beschreibt Linke als "sehr kooperativ und konstruktiv von Anfang an." Jeder sei bemüht gewesen, Kompromisse und konstruktive Lösungen zu finden. Es soll so gut weitergehen, sagt Linke und verscheucht wieder eine Stechmücke, die es auf sie abgesehen hatte. Sie ist sich sicher: So kann es weitergehen mit der nächsten Museumsleitung.

Eins will sie ihrem Nachfolger weitergeben: Jeder solle seine Akzente setzen und eigene Schwerpunkte legen. "Mein Nachfolger soll seine Arbeit auf seine eigene Weise fortsetzen", sagt Linke. Als Försterin weiß man, dass man nie die Einzige ist, die etwas zur Gestaltung beiträgt. Im Wald sei das genauso. "Vielfalt ist wichtig, ein Baum ist nicht besser als der andere." Das Waldbild insgesamt müsse gesund sein. Es könne nicht nur Buchen oder nur Eichen geben, oder nur junge und nur alte Bäume.

"Auch der Wald war schon vor mir da", sagt Linke und bricht mitten im Satz ab, um auf einen auffallend orangefarbenen Schmetterling zu zeigen, der zwischen den Brombeerbüschen tänzelt: "Ein Taubenschwänzchen! Den habe ich schon lange nicht mehr gesehen, er sieht aus wie ein Kolibri." Sie beobachtet gerne die Insekten und Pflanzen im Wald und studiert ihr Verhalten. Selbst von Pilzen könne sie viel lernen. "Sie gehen eine Kooperation mit dem Baum ein, und das hat für beide Vorteile", erklärt Linke fasziniert. Das zeige gut, dass es nicht immer nur um Konkurrenz gehe. "Das ist das Schöne an meinem Job, ich lerne nie aus!"

Die Ausschreibung der Stelle ist bereits abgeschlossen, jetzt werden die Bewerbungen gesichtet. Linke hat in ihrer Zeit im Ebersberger Forst viel über die Geschichte des Waldes gelernt. Sie erzählt von der Nonnenraupe, deren Falter sich Ende des 19. Jahrhunderts massenhaft vermehrt haben und die Nadeln der Fichten gefressen haben. Nach einem kalten Winter waren aber auch sie Geschichte. "Jetzt weiß ich, warum der Ebersberger Forst so aussieht, wie er heute ist", sagt sie und lächelt zufrieden. Sie wird dem Wald immer verbunden bleiben: "Wald ist immer Erholung für mich. Der tut einfach der Seele gut, deswegen wählt man so einen Beruf".

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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