Volksglaube:Feine Wäsche und wilde Gesellen

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Räucherritual zur Rauhnachtszeit im Garten von Kreisheimatpflegerin Sandra Angermaier (Mitte). (Foto: Renate Schmidt)

Ein Vortrag im Museum zeigt, dass Wäschewaschen früher harte Arbeit war. In den Rauhnächten aber sollte Ruhe herrschen. Warum eigentlich?

Von Regina Bluhme, Erding

Ein kleiner Abdruck auf einer verrosteten Grabbeigabe kann viel verraten. Zum Beispiel, welche Kleidung im Frühmittelalter in Mode war. Im Museum Erding hängen Stoffe, die eigens nach Vorlage der vorgefundenen Webmuster aus dem Gräberfeld in Altenerding-Klettham gewebt wurden. Sie sind dauerhaft ausgestellt und sehen in der Tat schick aus. Was das Thema Textilien und deren Pflege betrifft, da hat das Depot aber noch einiges mehr zu bieten. Kürzlich präsentierte das Museum alte Waschgeräte und feines Leinen - und natürlich ging es auch um die Frage, warum in den Rauhnächten keine Wäsche aufgehängt werden sollte.

Die Zeit der Rauhnächte hat gerade begonnen. Die Spanne zwischen der Wintersonnenwende und Heiligdreikönig ist seit jeher eine sagenumwobene, mystische Zeit. Auch die Erdinger Kreisheimatpflegerin Sandra Angermaier ist von dem Thema fasziniert. Wir haben bei ihr nachgefragt. Sie hält Vorträge über den Volksglauben, der von toten Seelen und geisterhaften Wesen erzählt. "Die ,Wilde Jagd' ist unterwegs", sagt sie. Zum Schutz vor den wilden Gesellen habe es Räucherrituale gegeben. Das Interesse daran ist bis heute ungebrochen, denn die Vorträge von Sandra Angermaier übers Räuchern in den Rauhnächten sind immer ausgebucht.

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Neben dem Räuchern gilt es aber darauf zu achten, die "Wilde Jagd" möglichst nicht zu verärgern. Die wilden Gesellen mögen nichts Lautes, besagt eine weitere Vorstellung. Sie mögen nichts Kreisendes oder Kreischendes, erklärt Sandra Angermaier - und daher sollte in der Zeit der Rauhnächte tunlichst nicht mit dem Kochlöffel herumgerührt, das Spinnrad betätigt und schon gar nicht die Wäsche im Zuber herumgewirbelt werden. Zudem bestand die Gefahr, dass sich die "Wilde Jagd" in der aufgehängten Wäsche verfängt. Das wäre dann ein böses Omen, besagt der Volksglaube.

Welch körperlich anstrengende Tätigkeit das Wäschewaschen bis vor ein paar Jahrzehnten war, führte jetzt eine Veranstaltung im Museum Erding vor Augen. Zu Beginn flimmerte ein Schwarz-Weiß-Foto aus dem Museumsarchiv über die Leinwand. Das Bild aus den 1950er-Jahren zeigt, wie zwei Erdingerinnen auf Höhe der Pointner Mühle ihre Wäsche in der Sempt waschen. Damals gab es sogar eigens errichtete Waschstege. Diese sorgten dafür, dass die Wäsche sauber blieb und nicht über den Boden geschleift wurde.

Frauen beim Wäsche spülen an der Sempt. Im Hintergrund ist das alte Schwimmbad erkennbar. Das Bild stammt aus den 1950er-Jahren. (Foto: Museum Erding Archiv)
Auf diesem Waschbrett wurde einst viel Wäsche geschrubbt. (Foto: Renate Schmidt)

Museumsleiter Harald Krause und Sammlungsleiterin Elisabeth Boxberger präsentierten bei der gemeinsamen Veranstaltung mit dem KBW Erding weitere Fundstücke aus dem Depot, unter anderem ein Waschbrett, einen Zinkzuber und einen schweren Stampfer aus der Zeit zwischen 1930 und 1950. Eine Erleichterung stellte sicher die hellblaue Waschkugel dar, in der zwar die Wäsche immer noch händisch eingeweicht werden musste, aber die weitere Reinigung konnte dann mithilfe einer Kurbel erledigt werden. Im Depot fand sich auch eine hölzerne Spule mit ordentlich aufgewickelter Wäscheleine.

Beim Waschvorgang in einem einzigen Zuber galt es, auf die Reihenfolge zu achten. Erst kam die weiße Wäsche an die Reihe, wie zwei Depotstücke aus den Jahren 1850 bis 1900, ein Hemd aus feinstem Leinen und eine lange Unterhose mit Spitzenbesatz.

Eine Waschkugel in hellblau gehört zu den gezeigten Exponaten aus dem Museumsdepot. (Foto: Renate Schmidt)
Richtig gewickelt: Eine alte Wäscheleine auf hölzerner Spule. Im Hintergrund Waschmittel und Seifen. (Foto: Renate Schmidt)

Wie sich gezeigt hat, hatten die Merowinger (5. bis 8. Jahrhundert), deren Gräber in Klettham in den 1960-er Jahren entdeckt wurden, bereits ein Händchen für Mode und für Qualität. Das beweisen die Textilstrukturen, die sich an den Artefakten aus den Gräbern fanden. Textilarchäologen konnten Rosetten-, Rippen- und Diamantköper, drei verschiedene Gewebearten, erkennen, sogar Garnstärke und Webdichte konnten nachgewiesen werden. Es gelang, die Stoffe originalgetreu nachweben zu lassen. Verwendet wurde dabei Wolle von Schafen aus England. Wer will, kann im Museum Erding auf Tuchfühlung mit Merowinger Mode gehen. Nicht nur zu den Rauhnächten.

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