Mitten in Markt Schwaben:Die Freiheit des Verstands

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Er verstand, dass es Kunst war, doch er verstand ihren Inhalt nicht. Was ihn fast um den Verstand brachte. Verstehen Sie?

Von Korbinian Eisenberger

Es wird gerne darüber gestritten, was Kunst sich erlauben darf: Manche würden sie gerne verbieten, andere finden, Kunst sei grenzenlos frei und soll alles dürfen. In Markt Schwaben war die Toleranz bei der Kunst stets groß, noch vergangenes Jahr schauten sich die Einheimischen sehr schwer genießbare Weiherspiele an. Seit Freitagnachmittag ist nun aber klar, dass die künstlerische Freiheit im Ort eine Toleranzgrenze hat. Oder besser gesagt: Eine Verständnisgrenze.

Es geht um eine Freiluftstatue, die seit zwei Jahren am Markt Schwabener Postanger steht. Die runde Skulptur ist aus Bronze und hat ein Loch in der Mitte, drüber steht eine Zahl, rechts neben dem Loch ist ein Helm und links ein Kreuz. Kruzifix, dachte sich da ein Spaziergänger, was dieses runde Symbol denn symbolisieren solle? Er verstand, dass es Kunst war, doch er verstand ihren Inhalt nicht. Und weil ihn das wohl fast um den Verstand brachte, bat er die Gemeinde um eine erklärende Ergänzung.

Die hat der Künstler nun mit dem Bürgermeister vorgenommen: Am Sockel hängt eine Tafel mit der Erläuterung, dass das Kunstwerk ein 900 Jahre altes Mühlrad symbolisiere. "Diese Bronzeskulptur wurde zur Erhaltung an die erste urkundliche Nennung Markt Schwabens im Jahr 1115 von Bruno Kukla erschaffen", steht dort. Das kann falsch verstehen, wer nicht weiß, dass Kukla ein 80-jähriger Hobby-Künstler aus dem Ort ist und vor 900 Jahren sicher noch nicht bildhaute. Man muss das aber nicht so eng sehen, ist es doch mit der Schrift wie mit der Kunst: Nur wer die Freiheit hat, kann die Grenzen überschreiten.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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