Mitten in Erding:Es lebe die Digitalisierung

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Wenn es am Amtsgericht mal wieder länger dauert, liegt das entweder an einem kaputten Auto oder an der holprigen Technik. Oder an beidem.

Glosse von Gerhard Wilhelm

Der Spruch ist zwar abgedroschen, aber manchmal stimmt er: Früher war alles besser. Zumindest hätte es im Königlich Bayerischen Amtsgericht weniger Probleme gegeben, beziehungsweise wäre es bestimmt erst gar nicht dazu gekommen, so wie kürzlich in einer Sitzung am Erdinger Amtsgericht. Zuerst streikte die Technik im Saal 1. Die Verbindung zu dem Angeklagten in Albanien via Videochat mochte einfach nicht zustande kommen, abgesehen davon, dass die Amtsrichterin und die Protokollführerin erst einmal auf dem Boden robben mussten, um Kabel für das Videoübertragungsgerät zu verlegen, damit alle auf den Bildschirm sehen konnten. Erst nach der Zuhilfenahme weiterer "Experten" im Gericht klappte es mit der Verbindung. Der Experten-Tipp, der half: Aus- und wieder einschalten.

Problem gelöst, doch ein anderes Problem blieb: Der Dolmetscher fehlte - den es beim "Königlichen" bestimmt gar nicht gab, denn wenn ein Ausländer, sprich Preiß, was nicht verstand, war er selber schuld. Mit Englisch hätte man sich ja noch behelfen können, aber Albanisch? Als der Dolmetscher nach 25 Minuten doch noch auftauchte - seine Auto hatte einen Defekt -, kam auch noch Griechenland ins Spiel. Der Angeklagte hatte mit einem griechischen Pass von München nach London fliegen wollen. Laut Bundespolizei am Airport "eine Totalfälschung" - für die der Angeklagte in seiner Heimat nach seinen Angaben 1500 Euro bezahlt hatte. Wie er damit überhaupt aus Albanien bis zum Flughafen München kam, blieb offen.

In der Rangliste knapp vor Albanien

Den Strafbefehl wegen Urkundenfälschung, der ihm nach seiner Abschiebung nach Hause geschickt worden war, lautet auf 2700 Euro. Was rund elf Monatsgehälter für ihn entspreche, wie er sagte, weshalb er Einspruch eingelegt hatte. Mit Erfolg. Die Strafe wurde auf 560 Euro reduziert. Dazu kommen die Kosten des Verfahrens und die der Abschiebung. Immerhin musste er aber dank Videoschaltung nicht nach Erding fahren.

So ganz ohne Probleme war die moderne Technik jedoch nicht. Stellenweise war die Tonübertragung abgehackt, wie man es manchmal von Handyverbindungen kennt. Auf deutscher Seite war man sich sicher: Das Problem liegt nicht bei uns. Und das wird von einer Untersuchung des Berliner European Center for Digital Competitiveness (ECDC) gestützt. In der digitalen Wettbewerbsfähigkeit ist in Europa Deutschland vor Albanien. Fairerweise muss man dazu sagen, dass Albanien den letzten Platz belegt und Deutschland den vorletzten.

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