Mitten im Amtsgericht:Dirty Harry hat Ausgang

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Wer wird schon gerne vor Gericht zitiert? (Foto: Stephan Goerlich)

Es macht bestimmt keinen Spaß, vor Gericht als Angeklagter zu erscheinen. Unentschuldigt weg zu bleiben, kann aber übel enden.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Dass es keinen Spaß macht, als Angeklagter vor Gericht zu stehen, kann man verstehen. Kein Wunder also, dass es hin und wieder passiert, dass alle da sind: Richter, Schöffen, Staatsanwaltschaft, der Anwalt des Angeklagten, die Protokollführerin und Zeugen - nur der Angeklagte selbst nicht. Und das unentschuldigt. 15 Minuten werden ihm dann eingeräumt, doch noch im Gerichtssaal aufzutauchen. Jeder kann sich ja mal verspäten.

In Akademikerkreisen heißen diese 15 Minuten "cum tempore", das "akademische Viertel", die Zeitspanne, in der ein Termin später beginnt. Mit 9 Uhr ist also 9.15 Uhr gemeint, um pünktlich zu sein. Auf Nachfrage des Amtsrichters beim Pflichtverteidiger, ob er wisse, ob der Angeklagte kommen wolle, erfährt man nur, dass die Kommunikation zwischen ihm und seinem Mandanten mehr einer Einbahnstraße gleiche. Laut Anwalt und der Kripo stimmt die angegebene Wohnadresse aber noch. Das führte dazu, dass der Amtsrichter bat, eine Streife der Polizeiinspektion Dorfen solle doch bitte mal dort vorbeisehen soll, ob er daheim ist.

Offensichtlich ist das mit Kripo und "normaler" Polizei aber auch in Deutschland ein bisschen wie im Film, wenn plötzlich ein FBI-Beamter bei einem lokalen Fall auftaucht: dann fühlen sich die Beamten vor Ort sehr schnell auf den Schlipps getreten, so als würde man ihnen unterstellen, dass sie keine Ahnung von richtiger Polizeiarbeit hätten. Jedenfalls dauerte es, bis sich tatsächlich eine Streife zum Wohnort des Angeklagten aufmachte, mit dem Ergebnis kurz vor 10 Uhr: es macht keiner auf und in die Wohnung könne man nicht hinein sehen.

Der Amtsrichter ließ die Sache darfhin eskalieren, wie es gerne auch bei Hotlines heißt. Er ordnete eine Vorführung des Angeklagten nach Paragraf 128 der Strafprozessordnung (StPO) an. Verbunden mit der Erlaubnis, dass die Polizisten "unmittelbaren Zwang" ausüben dürfen. Was nichts anderes heißt, dass die Beamten zum Beispiel eine Wohnungstür gewaltsam öffnen dürfen, wenn man vermutet, dass der Angeklagte zwar da ist, aber null Bock auf die Verhandlung gegen ihn hat.

Clint Eastwood, alias Dirty Harry, hätte in dem Fall seine Smith & Wesson gezückt und das Schloss einfach zerschossen. Macht man aber in Bayern nicht. Man sucht den Vermieter und holt sich einen Ersatzschlüssel. Um 10.24 Uhr dann der Anruf der Streifenbeamten. Und als ob der Amtsrichter einen sechsten Sinn hat, fragte er schon während des Telefonats den Polizisten: "Passt der Schlüssel nicht?". Die kurze und leicht verzweifelt klingende Antwort des Kripo-Mannes: "Nein". "Und jetzt? Eintreten?", so der Amtsrichter. Erneut kurze Antwort: "Ja".

Ein paar Minuten später stand fest: Der Angeklagte ist nicht da, nur sein Handy ist da. Es wurde ein Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen, damit er beim nächsten Mal pünktlich zu seiner Verhandlung kommt. Flankiert von zwei Beamten.

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