Stadtentwicklung:Verschwundene Orte in Erding

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Ein verschwundener Ort: Das Bild vom Stadtgärtnerhaus ist um 1910 entstanden, 1945 wurde das Gebäude abgerissen. (Foto: Bildarchiv Museum Erding)

Das Museum Erding bringt zum zweiten Mal einen Fotokalender zu abgerissenen oder im Krieg zerstörten Gebäuden heraus, diesmal mit dem Titel "Lost Places". Die Schwarz-Weiß-Bilder zeigen eine Stadt im Wandel.

Von Regina Bluhme, Erding

Das Foto um das Jahr 1910 zeigt ein ansehnliches Gebäude mit einem markanten Turm umgeben von Obstbäumen. Könnte glatt als Schlösschen irgendwo in Italien durchgehen, aber nein, hier handelt es sich um das Stadtgärtnerhaus in Erding. Das Haus ist längst verschwunden und doch kann es jeder sehen: im Kalender "Lost Places" in Erding, herausgegeben vom Museum Erding. Zwölf historische Schwarz-Weiß-Fotos zeigen abgerissene oder beim Luftangriff am 18. April 1945 zerstörte und in ihrer alten Form nicht wiederaufgebaute Gebäude.

Der 2022 zum ersten Mal herausgegebene Kalender mit verschwundenen Erdinger Orten war nach 14 Tagen ausverkauft, sagte Museumsleiter Harald Krause bei der Präsentation des neuen Kalenders am Montag im Museum Erding. Dieses Jahr sind 300 Exemplare im größeren Format von DIN A3 im Angebot. "Wir wollten die Gebäude sichtbar machen, die es nicht mehr gibt, zugleich auch eine Stadt im Wandel zeigen", so Krause.

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Der Kalender 2024 beginnt im Januar mit dem Zahn-Atelier Bösl an der Friedrich-Fischer-Straße. Ein wenig skeptisch blicken zwei Frauen in weißen langen Kittelschürzen in die Kamera. Neben ihnen ein Herr mit Hut und ein junger Mann im weißen Jackett über Anzug und Krawatte. Hinter ihnen auf der Hauswand steht: "Franz Bösl Zahn-Atelier im ersten Stock". Der Zusatz "appr. Bader", also approbierter Bader, darf auch nicht fehlen. Im Erdgeschoss ist laut Schaufensterbeschriftung das "Spezereigeschäft" Gruber untergebracht. Bader oder Spezerei-Inhaber gibt es heute nicht mehr, ebenso wenig wie das Haus, das 1960 durch einen "schlichten Neubau" ersetzt worden ist, wie der Kalender informiert.

Abgebildet ist auch die alte Turnhalle mit Fachwerkfassade an der heutigen Prielmayerstraße um das Jahr 1890 sowie die Neue Schießstätte und der abgerissene Trafoturm um 1930. Das um 1900 datierte Bild vom Alten Postamt könnte fast aus einem Western stammen: Es zeigt eine Pferdekutsche samt uniformierten Kutscher.

Das Widmann-Haus an der Ecke der Friedrich-Fischer-Straße um das Jahr 1925. Das angrenzende Gebäude ist der Gasthof zum Lex. Parkprobleme dürfte es damals nicht gegeben haben. (Foto: Bildarchiv Museum Erding/oh)

Das Foto vom Stadtgärtnerhaus an der Ecke Hinter den Mauern/Zollnerstraße ist um das Jahr 1910 datiert. Einst war das Türmchen ein stolzer Wehrturm der Stadtmauer und wurde erst später zum Wohnhaus erweitert. Beim Luftangriff 1945 ist das Haus stark beschädigt und schließlich abgerissen worden.

Es geht weiter im Kalender mit einer Aufnahme um 1910 vom Gefängnisturm und der Stiftungsbrauerei an der Haager Straße. Um 1940 ist das Bild der Josefianstalt und des Städtischen Krankenhauses an der Krankenhausstraße entstanden. Es folgt eine Ansicht des Münchner Tors um 1865 sowie des Städtischen Elektrizitätswerks an der Ecke Am Gries/Zur Niedermühle um 1925. Zum Freisinger Tor in einer Ansicht um 1865 an der Ecke Lange Zeile/Am Rätschenbach heißt es, es sei trotz "erheblicher Widerstände der Bevölkerung" 1886 "aufgrund von Sicherheitsbedenken" abgerissen worden.

Viele der Gebäude wurden durch den Luftangriff im April 1945 zerstört

Eine Aufnahme von 1925 zeigt das Gasthaus zum Lex und das angrenzende Kaufhaus Widmann an der Friedrich-Fischer-Straße. Beide Gebäude wurden beim Luftangriff am 18. April 1945 zerstört. Aus dem Gasthaus wurde ein Wohn- und Geschäftshaus, auf dem Grund des Widmann-Hauses steht heute der Drogeriemarkt Müller.

Den Abschluss macht das Haus von "Colonialwaren Carl Eger" an der Landshuter Straße. Das Foto ist um 1900 entstanden. Wie das Museum informiert, wurde das Gebäude 1945 stark beschädigt und als schmuckloser Bau neu errichtet. Heute steht dort der Verwaltungsneubau der Stadt Erding.

Weil es so viel zu den Fotos zu erzählen gibt, wird es eigene Stadtführungen geben

Die Auswahl der Fotos hat Museumsmitarbeiterin Simone Lachmann übernommen, die mit der Inventarisierung des riesigen Fotoarchivs betraut ist. Sammlungsleiterin Elisabeth Boxberger hat sich zusammen mit Praktikantin Caroline Fischler von der Fachoberschule für Gestaltung auf die historischen Spuren der Gebäude gemacht. Begleitend zum Kalender plant das Museum Erding im Frühjahr und Sommer 2024 geführte Stadtrundgänge zu den ausgewählten zwölf "Lost Places" anzubieten.

Oberbürgermeister Max Gotz verriet bei der Präsentation sein Lieblingsfotomotiv: die Alte Turnhalle, gleich gegenüber dem Museum. Das 1887 eingeweihte Gebäude machte nach dem Abriss 1971 Platz für den Städtischen Kindergarten St. Antonius. Der Kalender dokumentiere die Entwicklung der Stadt, zeige wie sich immer weiterentwickelt und dabei der Zeit angepasst habe, so Gotz. Am Ende des Kalenders sind die historischen Fotos aktuellen Aufnahmen von 2023 gegenübergestellt. "Dadurch ergibt sich ein guter Eindruck vom jeweiligen Ort und dem heutigen Ist-Zustand", schreibt das Museum. Jeder kann sich so sein eigenes Bild machen.

Wer ein Exemplar zum Preis von 20 Euro erwerben möchte, kann dies im Museum Erding während der Öffnungszeiten (Dienstag bis Sonntag, 13 bis 17 Uhr) oder in den drei Erdinger Buchhandlungen LeseGlück und Lesezeichen sowie Rupprecht tun. Vorbestellungen sind im Museum Erding unter 08122/408158 oder museum@erding.de möglich.

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